Joachim Christoph Ludwig Utech wurde am 15. Mai 1889 in Belgard geboren. Seine Eltern wohnten in der Kösliner Straße vor den Toren der Stadt. Die Familie der Baumeister war seit dem 18. Jh. bekannt. Der Urgroßvater Joachims – Bogislav Friedrich Gotthilf (1782-1829) wurde schon 1935 in Kürschners „Kalender der Gelehrten“ als Bildhauer und Stadtbaumeister erwähnt (Pommern 1981, S. 4). Mit 25 Jahren hängte er seinen erlernten Tuchmacherberuf an den Nagel und ging nach Breslau. Hier besuchte er die Kunst- und Baugewerkschule, um sich danach 1814 in Belgard anzusiedeln. Hier gründete er das Baugeschäft Utech. Im Jahre 1817 übernahm er das Amt eines Städtischen Baumeisters. Als Bildhauer wurde er durch seine klassizistischen Medaillons und Konsolen, die er an seinem eigenen Haus und anderen Belgarder Häusern anbrachte, bekannt. „In seiner Freizeit modellierte er Götter und Heroen der Griechen (…) Er gestaltete auch seine Zeitgenossen, z.B. Königin Louise und Goethe, auch Gestalten aus der Bibel“ (Pommern 1952, S. 51).
Der Großvater Utechs, Baumeister Gustav Wilhelm Gottlieb Christian (1821-1872), erhielt seine Ausbildung im Bauhandwerk in Holzminden und arbeitete danach traditionsgemäß im Familienbetrieb. Der Sohn Gustavs besuchte später dieselbe Schule in derselben Stadt und erhielt dadurch die gleiche Ausbildung wie der Vater. Da im Winter der Baubetrieb geschlossen blieb, hatte Gustav endlich Zeit, auf den Feldern Findlinge zu sammeln und sie zu behauen. Er gestaltete Obelisken und Grabsteine, immer in einfachen und geraden kubistischen Formen. Joachims Vater Wilhelm Utech, auch Baumeister, führte das Baugeschäft schon in der dritten Generation, und dies mit solch großem Erfolg, daß er imstande war, seinem Sohn in den 20-er Jahren ein großes Haus zu bauen. Die kleine, zur Familie gehörende Landwirtschaft führte Joachims Mutter. Sie vor allem befaßte sich auch mit der Erziehung der Kinder. Von sechs Söhnen ergriffen vier den väterlichen Beruf oder wurden Architekten.
Joachim wuchs in einer ländlichen und zugleich künstlerischen Umwelt auf, in unmittelbarem Kontakt mit Natur, Musik, Architektur und Bildhauerkunst, in der Umwelt der Hinterlassenschaft seiner Vorfahren und in der Tradition des Bauhandwerkes. Sein größter Wunsch war eigentlich schon immer, Künstler zu werden. In den Erinnerungen aus seiner Kindheit lesen wir „Die bildhauerische Arbeit meines Urgroßvaters und Großvaters führte mich schon als Kind in Richtung Kunst, so wurde ich Bildhauer wie mein Urgroßvater‘ (Pommern 1952, S. 51).
Schon während der Schulzeit im Belgarder Gymnasium erkannte der Zeichenlehrer Joachims die außergewöhnlichen künstlerischen Neigungen des Jungen. Der Wunsch, Künstler zu werden, wurde immer intensiver. Nach dem Schulabschluss 1907 fuhr er nach Berlin zu Professor Wrba, einem Bildhauer. Da aber das Atelier des Professors aufgelöst wurde, mußte Joachim seine Pläne ändern. Er ging nach Kolberg und begann eine Lehre bei dem Bildhauer und Stukkateur Bräger, jedoch nicht für lange. Das „Auskratzen“ von Ornamenten aus dem Fassadenputz war wenig schöpferisch und befriedigte seinen künstlerischen Ehrgeiz nicht. Im Herbst desselben Jahres begann er das Studium an der Kunsthochschule des Westens in Charlottenburg. Charakteristisch für diesen Zeitraum ist das intensive Suchen Utechs nach einer eigenen Form seines künstlerischen Ausdrucks. Anfangs befaßte er sich mit dem Studium und den Gesetzen der Zeichnung, aber schon ab Frühjahr des nächsten Jahres mit der Malerei. Sein Wunschtraum, Kunstmaler zu werden, wurde immer stärker, darum wechselte er in die Klasse von Professor Georg Koch über, dem bekannten Pferdemaler. „… Es ist interessanter, eine ganze Welt auf die Leinwand zu zaubern, als im dreckigen Ton zu kneten“ (Detmold 1989, S. 15). Nach einer kurzen Militärzeit in Kolberg setzte er 1910 sein Studium in der Antiken-Klasse Professor Friedrichs fort. Das akademische Verhältnis zur Kunst passte nicht zu seinem ästhetischen Empfinden, darum gab er das Studium wieder auf und beendete in Danzig seinen Wehrdienst. Ende 1911 kehrte er nach Berlin zurück. Diesmal – aufgrund des ausgeübten Druckes von Seiten seiner Eltern -hatte er vor, die staatliche Kunstschule zu beenden und die Prüfung als Zeichenlehrer abzulegen. Diese Ausbildung sollte ihm die Existenzmöglichkeit sichern, die ihm der Beruf eines Kunstmalers nicht gab. Die Schule und die Lehre bei dem bekannten Bildhauer Professor Hauschild beendete er 1912 mit dem Staatsexamen in der Zeichenkunst und 1913 in der Werklehre. Utech unterstrich die Verdienste des Professors sehr oft, auch dessen Einfluß auf seine künstlerische Entwicklung, vor allem auf das durch ihn erweckte Interesse an der Bildhauerkunst. In seinen Erinnerungen erzählt Utech „Mein verehrter Lehrer führte mich mit sicherer Hand in das Reich der Plastik und erschloss mir eine neue, bis dahin unbekannte Welt. (…) Er hatte meine Begabung zum Bildhauer erkannt und mir geraten, die Prüfung im Modellieren abzulegen. Das plastische Talent meines Urahns Bogislav Gotthilf war nach 100 Jahren wieder freigelegt worden“. (Detmold 1989, S. 16)
Mit freundlicher Genehmigung der LETTER – Stiftung (externer Link)
Um seine Fertigkeiten zu vervollkommnen, beschloss Joachim Utech, die Bildhauerklasse an der Leipziger Kunstakademie zu besuchen. Außer dem Studium der Geheimnisse in dieser Richtung, widmete er sehr viel Zeit dem Kennenlernen der Drucktechnik und auch der Anwendung von Kunststeinen in der Bauplastik. Diese damals erworbenen Fertigkeiten erlaubten es ihm nach Jahren, Aufträge auszuführen, vor allem die von der öffentlichen Hand.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendete vorläufig seine künstlerische Laufbahn, die bis jetzt stark auf Handwerk gerichtet war. Er nahm als Leutnant und Kolonnen-Kommandeur am Krieg teil, kämpfte an der Ostfront und in Italien. Hier wurde er verwundet. Die Genesungszeit verbrachte er im Feldlazarett in Udine. Zufällig erblickte er dort gefällte Platanen, die ihn zur Anfertigung seiner ersten Plastik in Holz inspirierten. Nach Beendigung des Krieges kehrte er nach Hause zurück und heiratete 1918.
1919 befand sich Deutschland in einer neuen politischen und kulturellen Lage. Utech begann Anfang des Jahres seine Berufs- und Künstlerkarriere in Leipzig. Er wohnte zusammen mit seiner Frau und unterrichtete in der Höheren Töchterschule. In seiner Freizeit huldigte er weiterhin seiner Leidenschaft, der Bildhauerei. Einige seiner Plastiken in Holz wurden sogar im städtischen Kunstverein ausgestellt. Schon nach einem Jahr zog er um, und zwar nach Insterburg am Pregel in Ostpreußen.
Hier hatte er bessere Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Die Insterburger Jahre hatten großen Einfluß auf sein späteres künstlerisches Schaffen, denn hier war er in der Lage, seine Arbeiten zusammen mit führenden Expressionisten auszustellen, solchen wie Nolte, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Feininger u.a. Dann folgten seine Ausstellungen in Königsberg. 1922 befanden sich seine Arbeiten in der Großen Berliner Kunstausstellung, wo sie sehr gute Kritiken erhielten. Öffentliche Anerkennung brachte ihm der erste Preis der Stadt Insterburg beim Wettbewerb für den Entwurf einer Siegerplakette und 1924 einer Medaille anlässlich der 10. Wiederkehr des Jahrestages der Befreiung der Stadt von den Russen.
Trotz des vielversprechenden Beginns seiner Karriere in Insterburg entschloss er sich 1925, in seine Heimatstadt Belgard zurückzukehren. Das hiesige Gymnasium hatte ihm eine Stelle als Lehrer für Kunsterziehung angeboten. Dieses Amt sicherte ihm ein ruhiges alltägliches Leben. Sein Vater hatte sich bereit erklärt, ein Haus für seinen Sohn zu bauen, auch ein Atelier. Außer mit seiner pädagogischen Arbeit befaßte er sich auch mit der Bildhauerei, nicht nur in Holz, sondern auch in Granit. Vor Beginn der Arbeit untersuchte er ganz systematisch die Struktur der Steine und die Geheimnisse ihrer Bearbeitung. Häufig besuchte er das Ägyptische Museum in Berlin, wo er die Technik der dortigen Kunstwerke studierte. In seinen Erinnerungen kehrte er gern zu den Zeiten zurück, in denen er über den Irrweg der Zeichnung und der Malerei endlich sein wahres Ziel erreicht hatte, das Ziel, zu dem er berufen war -Bildhauerei! „Mein Vater holte aus dem alten Familienschrank das Granithandwerkszeug meines Großvaters und überreichte es mir schweigend: den Zweispitz, den Stockhammer, den schweren Schlägel, die Granitmeißel. (…) Jetzt hielt ich wirkliche Waffen in den Händen. Um den bevorstehenden schweren Kampf nicht zu verlieren, mußte ich methodisch zu Werke gehen. Ich lernte Strukturen und Gesteinsschichtungen kennen. Ich lernte, daß man viel vorsichtiger sein muss als beim Sandstein oder Marmor. Mein Schaffen in Granit wurde mein größtes Glück‘ (Detmold 1989, S. 9).
Utechs zweite Berufung war die pädagogische Arbeit, über die jedoch nicht viel bekannt ist, die er aber sein ganzes Leben hindurch ausführte. Sein Gestaltungsunterricht war „im wahrsten Sinne des Wortes bildend‘ (Unser Pommerland 1929, S. 496), Er lehrte die Beherrschung der Komposition – Linien, Flächen, Formen und Farben. Theoretischen Vorlesungen folgten immer praktische Beschäftigungen. Während der Schulstunden beschäftigten sich die Schüler mit Modellieren; bauliche Grundlagen studierten sie in freier Natur. Sie lernten das Anfertigen von Photogrammen und Photomontagen, auch die praktische Möglichkeit des Photographierens.
Seine familiäre und materielle Situation war gefestigt. Die komfortable Wohnung, das eigene Atelier- alles, was er in Belgard hatte – trug dazu bei, sich immer weiter künstlerisch zu entwickeln. Er arbeitete auch weiterhin in Holz, obwohl seine Arbeiten auf der Ausstellung in der Berliner Buchdruckerei Hermann Reckendorfs (1926 od. 1927) zuerst keine Anerkennung fanden: „leerer Provinzexpressionismus“ (Detmold 1989, S. 19). 1928 betrachtete man sie schon anders, jedoch mit dem Gutachten „Sie sind noch weniger zu verstehen als die Werke Barlachs, Joachim Utechs farbige Holzplastiken“ (Detmold 1989, S. 19). Erst seine Arbeiten in Granit erhielten Anerkennung, und zwar 1930 auf der Ausstellung in Berlin die Plastik „Chinese“. Utech wurde als junges begabtes Talent ausgezeichnet. Die Exposition wurde danach mit viel Erfolg in verschiedenen Städten gezeigt – Hamburg, Duisburg, Heidelberg und Köln. Später dann auch in der Berliner Nationalgalerie. Der Zeitpunkt der Entstehung der ersten Plastik in Stein ist nicht bekannt, wogegen man den der ersten Holzplastik genau bestimmen kann.
Die Arbeit in Stein begann er stufenweise. Seine früher erworbenen Kenntnisse der Arbeit mit Terrakotta waren der erste Schritt dazu. Bevor er aber mit Granit zu arbeiten begann, schuf er Plastiken in Sandstein. Bekannt ist eigentlich nur eine Arbeit (bestimmt waren es mehr), wenn man an die Schaffensfreude des Künstlers denkt. Für die Entstehung der Arbeit „Liegender Akt“ kann man aufgrund der Chronologie der Arbeiten des Bildhauers das Jahr 1927 annehmen. Die frühesten bekannten Granitplastiken stammen aus dem Jahre 1930. Außer dem „Chinesen“ sind es noch „Kinderkopf“, „Alte Bäuerin“, „Neger“ und „Die Zeit“.
Bis Ende der 20-er Jahre hatte Utech wenig Kontakt zu Künstlerkreisen. Dies änderte sich erst nach dem Bekanntwerden seiner Arbeiten. Er trat dem am 1. Januar 1930 in Stettin gegründeten Künstlerverein „das neue pommern“ bei. Dreizehn Künstler, die meisten aus Stettin, gehörten ihm an. Das Ziel des Vereins war, jedes Jahr Ausstellungen zu organisieren und die eigene Kunst breiten Massen zugänglich zu machen. Ihre Kunst sollte das Herkömmliche und auch den Formalismus sprengen, dafür im Kontakt mit dem Geist und der Atmosphäre der Zeit mitgehen. Joachim Utech organisierte vom 11. bis 26. Juni 1932 eine Ausstellung zusammen mit dem „das neue pommern“ in Belgard. Anlas war der „Pommersche Städtetag“. Es wurden über 100 Exponate aus den Gebieten der Malerei, der Bildhauerkunst, der Graphik, des Gewebes und der Bauzeichnung gezeigt. Utech selbst stellte seine Granit-, Marmor-, Holz- und Tonarbeiten aus, die von den Besuchern hoch bewertet wurden (Celle 1989, S. 925).
Der Künstlerverein „das neue pommern“ wurde bald schon aufgelöst. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatten die Künstler keine Möglichkeit mehr, frei zu schaffen, darum die offizielle Auflösung des Vereins – und doch wurden sie 1933-1934 verfolgt. Sie verloren ihre Arbeitsplätze, durften nicht mehr malen und ihre Arbeiten nicht mehr ausstellen. Trotz der unerfreulichen politischen Verhältnisse erhielt Utech weiterhin Angebote, seine Arbeiten auszustellen. Diese erhielten eine positive Presse. Von 1932-1934 konnte man Utechs Plastiken in der Berliner Galerie Ferdinand Möllers besichtigen, „…außer der konformistischen Kunst dem System gegenüber, auch Werke der sogenannten „Weimarer Kunst des Untergangs“…“ (Detmold 1989, S. 25). 1934 nahm er an der Berliner Ausstellung der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde teil. Zwei Jahre später zeigte er seine Werke auf der Ausstellung des Malervereins „ Der Norden“, die von der Zeitschrift „Kunst der Nation“ ausging. Die leitende Idee des Blattes war „nordischer Expressionismus“. 1935 wurde sie verboten. Utech bekam bald die Gelegenheit, seine Arbeiten der internationalen Szene vorzustellen, und zwar auf der 20. Biennale in Venedig. Er bekam sogar Auszeichnungen dank der Fürsprache des Direktors der Berliner Nationalgalerie. Der italienische Staatschef Mussolini erwarb die Plastik „Alter Hirte“ für das Nationalmuseum in Rom. Die Moderna Galeria in Venedig kaufte die Plastik „Mädchen mit der Haarlocke“. In seinen Erinnerungen kehrte er oft zum „Kopf des alten Hirten“ zurück. Mit dieser Plastik war er sehr verbunden. Im Artikel „Mein pommerscher Granitfindling“ schrieb er: „-als dieser Granitfindling später in meiner Werkstatt lag, verschwand aus meinen Gedanken die Gegenwart. Ich sah mich als Kind auf einer grünen Wiese sitzend. Ich sah auch den alten Hirten und seinen Versuch, den Stein ans Tageslicht zu holen. In dieser meiner Vision verwandelte sich die Urform des Findlings in den Kopf des alten Hirten. Ich brauchte ihn nur noch aus dem Granit zu befreien. Als er endlich vor mir stand, erwachte ich aus einem wunderschönen Traum, der mich in die glückliche Zeit meiner Kindheit zurückversetzt hatte‘ (Pommern 1952, S. 52). Nach dem Erfolg in Venedig erhielt Utech die Einladung, 1937 an der Weltausstellung in Paris teilzunehmen.
Im Frühjahr desselben Jahres organisierte Utech zusammen mit dem Berliner Kunstkritiker Hans Zeeck eine Ausstellung in Köslin unter dem Titel „Ostdeutsche Kunstausstellung“. Sie zeigte die expressionistische Kunst Karl Schmidt-Rottluffs und Max Pechsteins. Er selbst stellte nur einige seiner Werke aus.
Seine Ausstellungen in der Region und im ganzen In- und Ausland wurden immer erfolgreicher und von den Abnehmern seiner Kunst voll anerkannt. Zuerst von der Stadt Belgard, dann von anderen Städten Pommerns erhielt er Aufträge. Solche von Institutionen, Schulen, Kirchen, Kasernen und Privatpersonen schlossen sich an. In den 30-er und 40-er Jahren schuf er viele Arbeiten für seine Vaterstadt, unter anderem einen Christuskopf aus Majolika für die Marienkirche und ein Kruzifix. Die Hindersin-Kaseme bekam die „Marketenderin“ und die Hitler-Kaserne eine Portalplastik am Einfahrtstor. Bauplastiken fertigte er auch für Schlawe, Stolp, Kolberg und Lauenburg an.
Fast alle künstlerischen Erfolge und die ständige schöpferische Entwicklung Utechs fanden in einer bestimmten schwierigen politischen Situation des Landes nach 1933 statt. Jedoch trotz der Konsequenz der nationalsozialistischen Kulturpolitik und der Repressionen der neuen Machthaber konnten einige Künstler weiterhin frei schaffen. Für sie interessierten sich die offiziellen Kreise vorläufig noch nicht, bis dann 1936 bis 1937 die radikale Innen- und Außenpolitik alles änderte. Utech stellte trotzdem seine Arbeiten weiter aus. Daran hinderte auch nicht seine Zugehörigkeit zu den „das neue pommern“ und auch nicht seine deutliche Faszination am Expressionismus. Positive Rezensionen blieben auch nicht aus. Zwei von ihnen stammen aus dem Detmolder Katalog (S. 26). Sie geben die allgemeine Meinung wieder. Franz Linde rechnete Utech, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, Rudolf Belling und einige andere zu den Künstlern, „die befähigt sind, große Aufgaben im Dienste des neuen Staates auszuführen und eine neue deutsche Kultur zu schaffen“. Utechs Freund Otto Eichhorn beschrieb ihn 1936 in einem seiner Artikel als „Schöpfer des nordischen Granits“. Wohlwollende Artikel, die Unterstützung der Freunde und seine künstlerischen Erfolge schützten seine Werke nicht vor der Ablehnung. Schon 1937 wurden seine Arbeiten auf Veranlassung Hitlers aus der „Großen deutschen Kunstausstellung“ in München entfernt. In Venedig erhielten sie einstmals große Anerkennung. Aus dem Stettiner Museum wurden auch zwei seiner Plastiken entfernt. Bald zog man die Einladung für die Weltausstellung in Paris zurück. In Belgard wurde die Plastik „Flora“, die 1932 im Sportstadion aufgestellt worden war, vollkommen zerstört.
Diese Vorkommnisse entschieden nicht über die weitere Existenz Utechs. Er schrieb zwar 1959 im Vorwort des Katalogs zur Nürnberger Ausstellung über die damaligen Fakten: „Ab jetzt konnte ich unter den Nazis nicht mehr ausstellen“ (Nürnberg 1959). Bis 1945 nahm er trotzdem an Ausstellungen teil. In den Zeitungen des ganzen Landes brachte man Artikel und Abhandlungen über den Künstler. 1937 stellte er seine Arbeiten in Bremen, Mannheim (Ausstellung „Junge deutsche Bildhauer“) und in Frankfurt aus („Deutsche Bildhauer der Gegenwart“). Ein Jahr später notierte man seine Anwesenheit auf der deutsch-französischen Ausstellung in Baden-Baden. Aus Anlass seines 50-sten Geburtstages 1939 erschienen Gelegenheitstexte u.a. in den Fachzeitschriften „Kunst“ und „Kunst für alle“. Auch anläßlich des 125-jährigen Bestehens des Baubetriebes der Familie wurde im Kolberger Stadtmuseum eine Ausstellung zu Ehren Joachims, seines Großvaters und Urgroßvaters organisiert. Auftraggeber waren der Landrat Belgards und der Oberbürgermeister der Stadt Kolberg (August bis September 1939). Der Katalog jener Ausstellung ist eine unschätzbare Informationsquelle für die Anfertigung einer Ausstellung, beschreibt er doch die Arbeiten von vor dem Jahre 1945. Eine andere Ausstellung des Kolberger Museums muss auch noch genannt werden, und zwar „Pommersche Malerei und Graphik der Gegenwart“. Sie fand im Mai 1939 statt. Hier zeigte Utech seine Studienzeichnungen und Modellentwürfe. An einer weiteren Ausstellung in Hamburg nahm der Bildhauer auch teil, und aus der heutigen Sicht war sie „ein ungewöhnliches Ereignis des Jahres 1940′ (Detmold S. 28). Neben den „eigentlichen“ nationalsozialistischen Bildhauern stellten auch die Künstler ihre „entartete Kunst“ aus, die Berufsverbot hatten. Auf der Hamburger Ausstellung wurden 156 Bildhauerarbeiten und 54 Zeichnungen gezeigt, fünf davon gehörten Utech, darunter: „Zwei Menschen“, „Alter Fischer“, „Mädchen im Seewind“ (Hamburg 1940).
Fünf Plastiken stellte er auch in Stettin aus, darunter „Führer“ und „Soldaten des Dritten Reiches“, anläßlich des 25-sten Bestehens des „Pommerschen Künstlerverbandes“. Sonja Langkafel ist Autorin des Textes zum Katalog der Ausstellung Utechs aus dem Jahre 1989. Sie schreibt „Die zwei Plastiken müsste man als Zugeständnis an die dominierende, von der Partei bestimmten Auffassung der Kunst verstehen; ein Zugeständnis, das Utech machte, um weiter ausstellen zu können“ (Detmold S. 28). In der Nachkriegspresse war noch von zwei weiteren Ausstellungen die Rede, auf denen Utech seine Werke gezeigt habe, 1943 auf der Ausstellung des Deutschen Buches in Amsterdam und Rotterdam und 1944 auf der Ausstellung des Deutschen Reichsarbeitsdienstes in Prag.
Ein entscheidendes Datum in seinem Leben und in seinem künstlerischen Werdegang war der 1. März 1945. Er mußte mit seiner Familie sein Haus und seine Heimatstadt verlassen. In der Parkstraße Nr. 2 (heute ul. Sybirakow) ließ er einen großen Teil seiner Arbeiten, Skizzen, photographischen Dokumentation seiner Werke, Handwerkszeug, kurz – die ganze Errungenschaft seines künstlerischen Lebens zurück. Sein Nachkriegsschaffen war geprägt durch seine Sehnsucht nach der Heimat. Franz Linde schrieb anläßlich des 70-sten Geburtstages des Künstlers: „In allen seinen Köpfen lebt seine Heimat, in ihrer Weite, in ihrer Schwere lebt der Charakter jener Menschen, die so sind wie die Erde, der sie angehören, und so wie der Himmel, der sich darüber breitet (Pommersches Heimatbuch 1960, S. 97). Im Mai 1945 ließ ersieh in Eyendorf bei Lüneburg nieder. Ein Jahr später erhielt er eine Wohnung und eine Lehrerstelle in der Stadt selbst. In der Schulwerkstatt begann er seine künstlerische Beschäftigung erneut und „… in einem Keller. Er begann unermüdlich, Findlinge zu bearbeiten, Granitfindlinge aus der Lüneburger Heide, und dies nur mit dem wenigen Werkzeug, das er im Rucksack hatte retten können. (…) März 1948 waren in Lüneburg 102 Bildwerke in Holz und 42 Granitskulpturen entstanden“ (Baltische Studien 1957, S. 147). Schon im Winter 1945 hatte Utech Gelegenheit, seine Arbeiten in der Galerie Brach in Hamburg auszustellen. Ein Jahr danach hatte er eine Ausstellung mit dem englischen Graphiker Raymond Cowern in Lüneburg. Hier konnte man 36 seiner Holzplastiken bewundern. 1947 organisierten seine Lehrerkollegen eine private Ausstellung für ihn. Sie hatten dazu den Kultusminister von Niedersachsen Adolf Grimme eingeladen. Der Künstler ließ sich an die Wilhelm-Raabe-Schule versetzen, wo er auch eine Werkstatt zur Verfügung hatte.
Er knüpfte Kontakte mit der Galerie Möller in Köln an. Hier und auch ab 1948 in Hannover stellte er regelmäßig seine Plastiken aus, und zwar im Rahmen des Kennenslernens niedersächsischer Künstler. Utechs Arbeiten konnte man hauptsächlich in Museen und öffentlichen Gebäuden finden, denn diese stellten nach 1945 „Ostdeutsche Kunst“ vor (Detmold 1989, S. 30). Die erste Ausstellung war 1952 von der Nordostdeutschen Künstler-Einung in Darmstadt organisiert worden. Die nächsten fanden in Hamburg (1953), in Schleswig (1953) und in Braunschweig (1954) statt. Die Künstlergilde e.V. in Esslingen hatte drei Wanderausstellungen vorbereitet, die in vielen deutschen Städten gezeigt wurden (1954-1955, 1956-1957,1960). „Künstlerische Sendung“ war der Titel der Ausstellung, die 1958 in Südamerika gezeigt wurde „… unter anderem mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen und auf das Problem der erneuten deutschen Einheit hinzuweisen“ (Detmold 1989, S. 32). Es war die zweite ausländische Ausstellung des Künstlers nach der 4. Biennale voor Beeldhouwkunst in Antwerpen.
Ab Kriegsende hatte Utech jedes Jahr Gelegenheit, seine Arbeiten zu zeigen. Die ganze Zeit verband er geschickt seine alltägliche pädagogische Arbeit mit der Bildhauerei. 1950 nahm er eine neue Herausforderung an, und zwar das Amt eines Beamten. Seines schlechten Gesundheitszustandes wegen mußte er schon 1952 in den Vorruhestand treten. In Daxweiler verbrachte er drei Jahre in einer Bergklinik, wo er seines Herzleidens wegen weilte. 1955 zog er mit seiner Frau nach Marburg um. Im „Haus der heimatvertriebenen Künstler und Wissenschaftler“ mietete er für sich und seine Frau eine Wohnung. Hier fand er sehr gute Verhältnisse zum Leben und künstlerischen Schaffen.
Ein sehr wichtiges Ereignis im Leben Utechs, des Künstlers Utech, war 1957 die Rückgabe seiner Vorkriegswerke, die in Belgard geblieben waren. Schon 1956 hatte er den polnischen Kultusminister um ihre Rückgabe gebeten. Auf Anweisung des Chefs der Kanzlei des Ministers Boguslaw Plazas hin hatte der Direktor des Museums in Stettin, wo die Hinterlassenschaft des Künstlers gelagert war, in die Rückgabe von 86 Plastiken eingewilligt. Für jeden Künstler ist der Erhalt seiner Arbeiten, die er verloren glaubte, ein großes Erlebnis. Diese zurückerhaltenen Arbeiten stellte Utech im Marburger Schloß aus. Allgemeine Informationen über diese Plastiken findet man in der polnischen Aufstellung, die für den Transport der Kisten angefertigt worden war. Sie war im Besitz von Utechs Tochter Anita Hommel und ihres Mannes Gerhard. Sie haben sie vor kurzem der Autorin übergeben. Genau 69 Beschreibungen mit Angabe von Titel, Herstellungsdatum, Maßen und Skizzen jeder Arbeit enthält der Autorenkatalog von Utechs Plastiken. Er ist weiterhin im Besitz der Familie des Künstlers (Rypniewska, Querenda, Hannover 1998).
Die Nordostdeutsche Künstler-Einung organisierte eine Ausstellung in Marburg mit den Arbeiten Utechs aus den Jahren 1956-1957. Neben Gemälden und Graphiken Dietmar Lemckes, Erich Kaatzes und Rudolf Küglers zeigte man 10 Utechs, Plastiken aus Marmor, Diabas und Basalt (Marburg 1958). Eine seiner wichtigsten Ausstellungen war die nach dem Kriege aus dem Jahre 1959 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg anläßlich der 6. Deutschen Kulturtage unter dem Titel „Joachim Utechs Werke in Stein und Photographien der Plastiken“. Das Vorwort zum Katalog schrieb der Künstler selbst „Der Künstler über sich und seine Werke“. Ausgestellt hatte er 48 Plastiken aus den Jahren 1931 bis 1959, unter ihnen 15 der nach dem Kriege wiedererhaltenen Arbeiten. Die Lichtbilder im Katalog charakterisierte er kurz: „Die Reihe Photographien vervollständigt den Überblick über die im Moment nicht zugänglichen Arbeiten des Künstlers und über die Beispiele aus seinem Lebenswerk“ (Nürnberg 1959). Die letzte Ausstellung vor seinem Tode war die in Wiesbaden und Düsseldorf 1959/1960. Sie zeigte Werke deutscher Künstler aus dem Osten: Georg Grosz, Käthe Kollwitz, Ludwig Meidner, Max Pechstein und andere, auch Joachim Utech mit zwei Plastiken (Wiesbaden 1959/1960).
Nach dem Kriege hatte er nur wenige öffentliche und private Aufträge, auf jeden Fall viel weniger als vor dem Kriege in Belgard. Die erste war die Ausführung eines Altarkreuzes (1945) für die evangelische Kirche in Salzhausen. Später fertigte er noch zwei Kruzifixe für die Kirchen in Wener und Bunde an. Er schreibt im Vorwort seines Kataloges „ 1957erhielt ich endlich, so wie i n Pommern, den öffentlichen Auftrag, eine monumentale steinerne Gartenplastik für die Universitäts-Augenklinik in Marburg anzufertigen“ (Nürnberg 1959). Von 1945 bis 1958 hatte er nur einige private Aufträge für Plastiken in Holz, eine in Diabas.
Joachim Utech starb am 30. März 1960 in Marburg. Seine letzte Plastik beendete er im Oktober 1959. Nach seinem Tode wurden in Deutschland nur drei Ausstellungen organisiert, die sein Schaffen veranschaulichten. 1971 zeigte die Ostdeutsche Galerie in Regensburg 56 Plastiken in Holz und Stein aus den Jahren 1936-1958. Seine ehemaligen Schüler und Schülerinnen hatten einige seiner Arbeiten gesammelt und 1958 in Celle ausgestellt. Erst die Ausstellung in Detmold stellte das ganze große Ausmaß seines künstlerischen Schaffens und seines Lebenswerkes vor. Einen gesamten Rückblick auf sein Kunstschaffen hatte das Lippische Landesmuseum 1989 anläßlich des 100-sten Geburtstages des Künstlers vorbereitet. Er gab Gelegenheit, 75 seiner Arbeiten aus den Jahren 1930 bis 1959 kennenzulernen. Er veranschaulichte auch die Wandelbarkeit seines Stils, die Mannigfaltigkeit seiner Themen und die Vielfältigkeit seines bildhauerischen Materials.
Quelle: Krystyna Rypniewska im Ausstellungskatalog des Bezirksmuseums Köslin 1999