Aus der Geschichte der Kreise Schivelbein und Belgard

Das Alte Land Schivelbein hatte andere Grenzen

Manfred Pleger 1994

Auf Grund der Verordnung über die Neugliederung der Landkreise vom 1. August 1932 werden die Landkreise Schivelbein, Belgard, Bublitz und Köslin aufgelöst und die Landkreise Belgard und Köslin neu gebildet. Für die Kreise und Städte Schivelbein und Bublitz, die damit ihre „Hauptstadtfunktion“ verloren, war dies ein gravierender Einschnitt. Für das Land / den Kreis Schivelbein (und nur über Schivelbein und Belgard will ich berichten) war dies ein schmerzlicher Bruch einer 600jährigen eigenständigen, bis 1815 brandenburgisch geprägten Geschichte. Ich nehme dieses Ereignis, das die Schivelbeiner bis auf den heutigen Tag bewegt, zum Anlaß, in mehreren Beiträgen über die territoriale Zugehörigkeit des Landes und Kreises Schivelbein wie des Landes und Kreises Belgard zu berichten.

Nach dem „Neumärkischen Landbuch von 1337“ gehörte das Land Schivelbein anfänglich zu Pommern und kam 1280 als dem Lande Arnhausen (castrum et terra Tarnhusze) benachbart vor. Nach der Karte der Neumark Brandenburg oder „Terra Transoderana vom Jahre 1337“ gehörte das Land „Schiuelbeyn“ (Schreibweise 1280 Schiuelben, 1292 Schiuelbeyn) zum Sprengel des Bischofs von Kammin und grenzte im Osten und Norden an Belgard und Arnhausen und im Süden an Falkenburg (terra Valkenburgh). Die Grenze bildete die NO-Richtung der Drage in Höhe Dramburg-Falkenburg. Im Westen bildete das Gebiet des uralten Besitzes der Borken die Grenze. Aus dieser Grenzbeschreibung ergibt sich ein anderer Umfang als der des späteren Kreises.

Nordwärts der Rega lagen nur die Orte Grössin und Nelep. Aus einer Grenzbeschreibung des Landes Belgard vom Jahre 1321 ersehen wir die genauere Grenzführung von Schivelbein. Danach reichte das Land Schivelbein südlich viel weiter in den Kreis Dramburg hinein. Es umfaßte das um 1254 als „dersertum Sarethicze circa Drauuam feuo“ erwähnte Gebiet (Sarrantzig) und zog sich bis zum Wusterwitzer See und dem 1254 erstmals erwähnten Dolgensee bei Dramburg.

Diese Gegend wurde 1254 von den pommerschen Herzögen dem Kloster Buckow geschenkt. Um 1280 eroberten die Markgrafen von Brandenburg weite Teile Hinterpommerns, wobei sie ohne Zweifel auch das Land Schivelbein unter ihre Herrschaft brachten. Was noch zweifelhaft über die Grenzen zwischen Arnhausen und Schivelbein war, das sollten nach einer Urkunde vom Margaretentage des Jahre 1280 die Getreuen Borko, Romelo und Ludeke von Lassan abmachen. Jedenfalls waren über die Grenzen gegen Schivelbein Borke und die Ramels selbst beteiligt. Entweder hatten diese damals schon (wie seit 1322 bekannt) die zum Schlosse Alt Schlage gehörenden späteren Kirchspiele Reinfeld und Ziezeneff oder sie besassen damals das Land Schivelbein als markgräfliches Lehn, wenigstens zum Teil.

Aus dem Vertrage zu Vierraden 1284 scheint zu folgen, daß das Land zwischen Labes und Belgard nicht mehr pommersch, also märkisch oder bischöflich war. Es bildete die Länder Schivelbein und Zinnenburg. In dem letzteren lag auf beherrschender Höhe an der Muglitz inmitten des von den Mönchen christianisierten und kolonisierten Landes das um 1280 vom Bischof Hermann von Gleichen erbaute Schloß Arnhausen. Als Markgraf AIbrecht 1292 Schivelbein seinen Vattern verpfändete, bemerkte er, daß es erst kürzlich erworben sei, wahrscheinlich vom Bischof, denn dieser hatte Anspruch daran aus dem 13. Jahrhundert. Im Jahre 1317 verpfändete Markgraf Waldemar Land, Stadt und Burg Schivelbein dem Bischof von Kammin. Zwei Jahre später jedoch wurde es wieder eingelöst, und 1319 verkaufte es Waldemar, der sich in Geldverlegenheit befunden haben muß, an seinen Kammermeister Wedigo von Wedel, mit Vorbehalt jedoch der Landeshoheit. Als Mitkäufer wird der dänische Truchsess Nicolaus Olavson genannt. Der Kaufvertrag nennt die ansehnliche Summe vom 11000 Mark Silber. Um den Anfechtungen des Bischofs von Kammin zu entgehen, der behauptete, daß das Land Schivelbein nach Waldemars Tode seinem Stift heimgefallen sei, erkannte Markgraf Ludwig 1337 „opidum, territorium et castrum Schiuelbeyn“ als Lehn des Bischofs an. Seit Erwerbung 1319 blieb das Land Schivelbein im Besitz der Familie von Wedel, bis es 1384 an den Deutschen Ritterorden kam.

 

Wurde Schivelbein brandenburgisch durch Tausch mit Belgard ?

Manfred Pleger 1994

Ludwig Kortlepel aus Schivelbein, in unserem Heimatkreisbuch abgedruckt, berichtet folgendes (1929):

„Daß Schivelbein brandenburgisch wurde, soll folgendermaßen zugegangen sein: Im Jahre 1248 gab Herzog Barnim der Gute von Stettin dem Bischof Hermann von Kammin das Land östlich der Persante sowie die angrenzenden Burgbezirke Podewils und Concrine (Stolzenberg). Zu dem letzteren gehört der heutige Kreis Schivelbein. Dessen südlichen Teil aber beanspruchten die brandenburgischen Markgrafen, die in der Neumark festen Fuß gefaßt hatten. Um das Jahr 1266 oder 1268 scheint der Bischof den südlich der Rega gelegenen Teil seines Burgbezirkes an die Markgrafen verkauft zu haben, um vom Pommernherzog den westlichen Teil des Kolberger Landes zu erhandeln. Schivelbein wurde damit der nördlichste Teil brandenburgischen Besitzes und daher gesichert. Auf den Überresten des wendischen Burgwalls entstand das feste Haus der Markgrafen …“

Dr. Heinrich Berghaus sieht dies anders; im Landbuch des Herzogthums Kaschubien – Erster Band 1867 – schreibt er über die Grenzen und Landeszugehörigkeit des Landes Belgard folgendes (der Auszug ist mit Daten weiterer Literatur ergänzt):

Bei der Landesteilung zwischen den ersten christlichen pommerschen Herzögen Wartislaw I. und Ratibor I. erhielt dieser die Gebiete von Belgard, Schlawe und Stolp (Ostpommern). Bogislaw I., im Jahre 1181 von Kaiser Barbarossa zum deutschen Reichsfürsten erhoben, war nach dem Tode seines Bruders Kasimir I. Herr des pommerschen Landes von der Persante im Osten bis über die Peene in Vorpommern hinaus, hatte also ganz Vor- oder Westpommern in seiner Hand vereinigt. Die Persante bildete die Grenze zwischen West- und Ostpommern.

Um 1184 bemächtigten sich die ostpommerschen Fürsten Swantibor und Mestwin unter dem Beistande der Markgrafen von Brandenburg und der polnischen Fürsten des Landes Belgard, dessen Grenzen auch den heutigen Kreis Neustettin umfaßten, wo das Land im fernen Osten durch große Waldungen von Polen getrennt war. Im Jahre 1268 verfügt Barnim I. von Westpommern als Landesherr im Lande Belgard, aber schon 1269 überläßt Mestwin II. von Ostpommern, wahrend er seine übrigen Länder dem Markgrafen von Brandenburg zu Lehn aufträgt, den letzteren Burg und Land Belgard zu freier Verfügung. Da Mestwin II. in der betreffenden Urkunde bekennt, daß die Markgrafen für die Verheiratung seiner Tochter gesorgt haben, und nun wirklich der mecklenburgsche Fürst Pribislaw, ein Sohn Pribislaw’s von Richenberg, als Gemahl von Mestwin’s II. Tochter Katharina und im Besitz des Landes Belgard auftritt, so gewinnt es den Anschein, daß von Seiten der Markgrafen durch Ausstattung des beiden Fürstenhäusern verwandten Pribislaw mit dem Lande Belgard eine Ausgleichung der ostpommerschen und westpommerschen Ansprüche auf das Land ins Werk gesetzt sei. Jener Pribislaw wird zuerst 1280 als domicellus in Belgart im Gefolge Barnims I. genannt. Beim Vierradener Friedensschluß 1284 erscheint der vorpommersche Herzog Bogislaw IV. den Markgrafen gegenüber, bestimmt als Landesherr des Landes Belgard. Ihm wurde freigestellt, sich den Besitz des für eine Kriegsentschädigung von 4.000 Mark Silber auf zwei Jahre an die Markgrafen verpfändeten Landes Ukermünde durch die Verpfändung der Länder Welschenburg und Daber, und entweder des Landes Labes oder des Landes Belgard zu sichern. Der Herzog zog, um sich Ukermünde zu sichern, das letztere vor, und gab die Länder Welschenburg, Daber und Belgard als Pfandstücke hin. Indessen scheint es, daß er sie verfallen ließ; denn 1287 bekennt Pribislaw von Belgard die Länder Belgard, Daber und Welschenburg als brandenburgisches Lehn zu besitzen. Doch 1290 ist Bogislaw IV. schon wieder Landesherr und 1291 bestätigt er die 1289 von seinem Statthalter Pribislaw gemachte Schenkung über 200 Hufen an das Kloster Bukow. Wahrscheinlich hatte Bogislaw die Länder Belgard und Daber von Brandenburg gegen das Land Schivelbein eingetauscht, welches letztere seit 1292 im Besitz der Markgrafen vorkommt.

Im Jahre 1295 stirbt das ostpommersche Fürstengeschlecht aus, und die Polen, Kreuzherren, Markgrafen von Brandenburg und die westpommerschen Herzoge stritten um das Erbe. Schließlich wurden in einem Vertrage Pommerellen und Lauenburg und Stolp dem Ritterorden zugesprochen, während Belgard (Neustettin gehörte dazu) den Herzogen von Westpommern verblieb.

 

Der Kreis Belgard sollte 1815 / 17 aufgelöst werden.

Der Staat Preußen schloß am 7. Juni 1815 einen Vertrag mit Schweden, in dem dies seinen verbliebenen Besitz in Pommern, zu dieser Zeit noch bestehend aus „Neuvorpommern (ab Peene) mit Stralsund und Rügen, an Preußen abtrat und dafür dreieinhalb Millionen Taler erhielt. Durch ein Patent vom l. Oktober 1815 entließ König Karl XIII. die Bewohner des bisherigen Schwedisch— Pommerns ihrer Pflicht gegen die Krone Schweden; am 23. Oktober 1815 erfolgte in Stralsund die Übergabe des Landes an den preußischen Bevollmächtigten, den neuen Oberpräsidenten von Pommern, von Ingersleben. Dieser nahm auch am 16. November 1815 die Erbhuldigung der dazu berufenen Landesabgeordneten entgegen. Der Sprecher der Ritterschaft, Graf von Bohlen, erklärte dabei:

„Unser unablässiqes Bestreben wird es von nun an sein, zu beweisen, daß wir auch unter einer auswärtigen Regierung nicht verlernt haben. Deutsche zu sein.“ 1 )

Der Staat Preußen ging nach den Befreiungskriegen tatkräftig an das große Werk, die gesamte preußische Verwaltung neu zu regeln. Unter der Oberleitung des Staatskanzlers von Hardenberg hatte der Minister des Innern, von Schuckmann, mit Hilfe des Direktors Hoffmann des statistischen Bureaus zu entscheiden. In der Verwaltungsreform von 1815/17 wurde der Staat Preußen durch königliche Kabinettsordre vom 30. April 1815 in 10 Provinzen und 25 Regierungsbezirke eingeteilt. 2)

Durch Erlaß vom 30. April 1815 wurde die Provinz Pommern mit den drei Regierungsbezirken Stettin, Köslin und Stralsund gebildet und ihr Umfang 1817/1818 festgelegt. Dabei kamen die beiden Kreise Dramburg und Schivelbein neben einigen im alten Pommern gelegenen Ortschaften, die bisher zu Brandenburg (Neumark) gehörten, ebenso wie mehrere uckermärkische Orte zu der Provinz Pommern, während wenige Dörfer zur Provinz Brandenburg gelegt wurden. Die Kreisordnung vom 17. August 1825 teilte Pommern in 26 Kreise; die Stadt Stettin bildete anfänglich einen eigenen Kreis, wurde aber 1816 mit dem Kreise Randow vereinigt, aus dem sie erst 1857 wieder ausschied. Dagegen teilte man 1845 die Kreise Lauenburg-Bütow, Köslin und Bublitz. 1)

Die Kreise Belgard und Schivelbein wurden dem Regierungsbezirk Köslin zugewiesen, doch sollte es die Aufgabe des Organisationskommissars und späteren Regierungspräsidenten Graf Dohna-Wundlaken sein, seinen Bezirk zweckmäßig zu gliedern.

Die Richtlinien, vom Kanzler und Minister aufgestellt, lauteten:

„Es ist sehr zu wünschen, daß die Kreise, was Flächenraum und geographische Lage betrifft, so gebildet werden, daß niemand leicht weiter als zwei bis drei Meilen zum Sitze der Kreisbehörde hat. Ebenso ist sehr zu wünschen, daß die Kreise in sehr bevölkerten Regegenden nicht leicht über 36.000 Einwohner enthalten, in unterbevölkerten nicht leicht unter 20.000 Menschen umfassen Doch sollten möglichst die alten Grenzen beibehalten werden.“

Nach diesen Grundsätzen also sollte Graf Dohna verfahren. Anfang November 1815 traf er in Köslin ein, und schon am 13. d. M. fand die erste Sitzung mit den Landräten statt, der Kreis Belgard hatte damals 17.214 Einwohner, stand also unter der Mindestzahl; auch lag die Hauptstadt durchaus nicht in der Mitte, von der Südgrenze hatten die Insassen 40 Kilometer, von der Südostecke 35 Kilometer Weges. Landrat von Kleist nahm an der Konferenz teil:

Es wurde beschlossen:

„Redlin, dicht vor Körlin, soll an den Fürstentumschen Kreis (er umfaßte die späteren Kreise Kolberg und Köslin-Bublitz) abgegeben werden. Dafür soll Belgard erhalten: Von Westpreußen die Enklaven (vom pommerschen Land umschlossen) Groß und Klein Poplow und Brutzen, sowie vom Neustettiner Kreis die Dörfer Naseband, Villnow. Klotzen, Borntin, Paatzig und die Neustettiner Anteile von Jagertow und Kollatz (die anderen Hälften gehörten schon zu Belgard). Das ergab einen Verlust von 180 und Gewinn von 507 und 1.005 Einwohnern. Sonst sollten die Grenzen unverändert bleiben.“

Dieser Vorschlag gefiel dem hohen Ministerium gar nicht (3. Dezember 1815); der zu kleine Kreis Schivelbein müsse durch die Gegend von Polzin vergrößert werden, dazu sollte auch sonst noch viel geändert werden (Zerlegung des Fürstentumschen Kreises z. B.). Graf Dohna erwiderte am 9. Dezember 1815, daß der Vorschlag vom 13. November 1815 unbrauchbar sei.

Durch die Allerhöchste Kabinettsordre an Hardenberg vom 11. Juni 1816 kam die Sache wieder in Gang. Der Konig ist einverstanden, daß die ehemals westpreußischen Enklaven Groß (und Klein) Popplow und Brutzen dem Kreis Belgard zugewiesen werden, doch ist er sonst mit dem Entwurf nicht zufrieden…“ Der Konig forderte einen neuen Vorschlag. Graf Dohna, sein Regierungsdirektor von Knobelsdorf und dessen Gehilfe Rechnungsrat Seeling arbeiteten einen neuen Entwurf aus, den er den Landräten vorlegen wollte (28. Juli 1816), danach mochte es für Belgard bei dem Vorschlag vom 13. November 1815 bleiben, doch sollte es noch zur Abrundung einen Zipfel im Südosten an den neuzubildenden Kreis Bublitz abtreten. Auch im einzelnen war es eine schwere Aufgabe, die Grenze zu ziehen, denn die zusammenhängenden Besitzungen der königlichen Ämter, der Städte, der Gutsbesitzer und die Kirchspiele sollten möglichst nicht zerrissen werden.

Die Regierung stellte den Landräten ihren Vorschlag zu und lud zu einer Konferenz ein (28. September 1816). Landrat von Kleist schrieb, daß er kommen werde, teilte aber jetzt schon seine Bedenken mit (3. Oktober):

Die Abtretung an Bublitz sei kaum tragbar; der Kreis Belgard gehöre sowieso zu den kleinen der Provinz, liege aber an der großen Militärstraße, was gelegentlich eine starke Leistungsfähigkeit erfordere (der Landrat mußte für Quartiere, Lebensmittel und Futter sorgen). Der Landrat müsse dann seine eigenen Besitzungen, ja sogar seinen eigenen Wohnort an den fremden Kreis abtreten, so daß die Bedingung, daß der Landrat im Kreise ansässig sein solle, für ihn nicht mehr erfüllt sei. Am 8. Oktober 1816 schrieb dann der Prediger Walter zu Groß Tychow an die Regierung, die ganze Gemeinde bitte durch ihn, beim Belgarder Kreis verbleiben zu dürfen. Ihre Väter und ältesten Vorfahren hätten schon diesem Kreis angehort, sie fühlten sich in der Kreisstadt heimisch und wohl, und zudem hätten sie zu Landrat von Kleist, ihrem früheren Gutsherrn, besonderes Vertrauen.

Unser Landrat von Kleist bringt in einem langen Schreiben vom 15. Oktober 1816 nochmals seinen Standpunkt an Graf Dohna dar. Er schreibt:

„Er wie alle I.andräte hätten (auch unter Bezug auf die Konferenz vom 10. Oktober 1816) den Eindruck, daß Ew. Hochgeboren bei Ausführung der hoheren Vorschriften diese mit unseren pflichtschuldigen Bitten möglichst zu einigen gewillt waren.“ Er führt die schon am 3. Oktober angegebenen Grunde noch einmal näher aus und hebt dann hervor, daß Belgard ein Etappenplatz sei, der oft die ganze Kraft des Kreises in Anspruch genommen habe- „Ich persönlich und der hiesige Kreis haben dergleichen Erfahrungen im Jahre 1808 gemacht, wie im hiesigen Kreise ein Kavallerie-Regiment und die Artillerie einer ganzen Division zusammen gezogen wurden. Diese Truppen sollten hier für eine namhafte Zeit kantonieren und die Kreise Schlawe, Neustettin, Dramburg und Schivelbein zu deren Verpflegung beitragen. Dieser Beitrag erfolgte aber nicht so schleunig, wie die Truppen einrückten – und ich mußte, um den Bedarf zu decken, den hiesigen Kreis in Anspruch nehmen.“ Die Truppen seien dann plötzlich wieder abgerückt, eine Entschädigung aber habe der Kreis von keinem bekommen.

Am 6. November 1816 sandte dann die Regierung ihren neuen Entwurf an das Ministerium. Der Belgarder Kreis sollte nun nur noch wenig verkleinert werden, die Vorstellungen des Landrats (und die Eingabe aus Groß Tychow) waren doch nicht ohne Erfolg: Groß und Klein Nemrin (mit Sandhof) und Kollatz sollten von Neustettin hinzukommen (245 Einwohner), dazu die westpreußische Enklave (507 Einwohner), an Bublitz sollten nur noch abgegeben werden: Drenow, Zarnekow, Kowalk, Dimkuhlen, Warnin, Tietzow, Schmenzin, Groß und Klein Voldekow (1.184 Einwohner); der Kreis Belgard sollte danach 16.782 Einwohner haben.

Nun aber trat ein neuer Mitspieler auf den Plan: die Kreisverwaltung des Belgarder Kreises (Vertretung der Stände, vor allem des Adels) und wandte sich direkt an den Konig. Sie bittet in herzlichen Worten für die Unversehrtheit des Kreises: Ein sozusagen brüderliches Verhältnis sollte aufgelost werden, das „an den schreckensvollen Tagen, die wir verlebten, der einzige Trost und Stützpunkt der Einsassen war. Seit undenklicher Zeit vereinigt, betrachteten sich letztere zu einer Familie gehörend, und haben ganz in diesem Sinn sich unterstützt, und Einer für Alle und Alle für Einen die Mittel willig und gerne hergegeben“, um die vom Kreis verlangten Leistungen zu erfüllen. „Kurz, ein Geist der Einigkeit beseelte und leitete das Ganze“.

Der König gewährte sogleich die Bitte, er schrieb am 11. November 1816 aus Potsdam zurück: „Dem Gesuch der Kreisverwaltung des Belgardschen Kreises zu entsprechen, habe ich dem Staatsminister von Schuckmann aufgetragen, es bei dem bisherigen Verbande zu belassen, das vorspringende Stück also nicht, wie es die Absicht gewesen ist, dem Bublitzer Kreis zuzulegen.

Damit ist eigentlich das Ende der Reform im Belgarder Kreis, ja im ganzen Regierungsbezirk gegeben, denn drei Kreise (Fürstentum, Neustettin, Rummelsburg) folgten sogleich dem Beispiel der Belgarder. Merkwürdigerweise hielt der Minister trotz der Ordre vom 6. November 1816 an seinen scharfen Reformplänen fest: am 11. Dezember 1816 teilte er der Kösliner Regierung mit, daß er u. a. mit dem Entwurf vom 6. November 1816 einverstanden sei, doch wünscht er außer einer Aufteilung des Fürstums, eine völlige Auflösung und Aufteilung des Belgarder Kreises. Der Hauptteil des Belgarder Kreises soll zu Schivelbein geschlagen werden, der nördliche und östliche Landstrich zu Kolherg, Köslin und Bublitz; auch die Hauptstadt Belgard selbst soll zum Kreis Köslin kommen.

Die Regierung war über diesen Entwurf des Ministers sehr erstaunt, denn das Ministerium selbst hatte ihr die Kabinettsordre des Königs mitgeteilt. Die Regierung fragte also am 31. Januar 1817 an, wie die Kabinettsordre mit den Verfügungen des Ministeriums vereinigt werden sollen.

Dennoch verfolgte Graf Dohna sein Ziel beharrlich weiter und schrieb an die Landräte, daß trotz der Königlichen Ordre einige Veränderungen nützlich und nötig seien. Landrat von Kleist meldete dann am 20. Mai 1817, daß Landrat von Foller (Neustettin) wegen der Abtretung der am 13. November 1815 vorgeschlagenen fünf Orte und zwei Anteile ausweichend geantwortet habe. Redlin möchte Kleist nicht abtreten- 1. weil das Dorf bei ihm beantragt habe, bei Belgard zu bleiben, 2. weil es zum Amt Belgard – nicht Körlin- gehöre, in Belgard auch veranlagt sei und Steuern zahle und 3. weil die Radüe die natürliche Grenze bilde. Dazu sei der Belgarder Kreis ohnehin viel kleiner als der Fürstentumsche.

Jetzt schlug Graf Dohna – alle anderen Entwürfe beiseite lassend – vor, den kleinen, nur 8.000 Seelen zählenden Kreis Schivelbein mit Belgard zu vereinen (28. Juli 1817), doch der Minister schrieb zurück (15. August 1817), daß er zwar diesem begründeten Vorschlag „alle Gerechtigkeit widerfahren lasse“. Da aber seine Königliche Majestät sehr geneigt sei, den Wünschen und Andringen der Einsassen in diesem Punkte nachzugeben — und die Einsassen des Schivelbeiner Kreises sicher über ihre beabsichtigte Einziehung Beschwerde erheben würden, so kann das Ministerium des Innern es – wenigstens jetzt – nicht ratsam finden…, sondern will es vor der Hand dabei lassen, daß … der Schivelbeinsche Kreis in Statu quo verbleibe.“

Damit ist die Verwaltungsreform im Kösliner Regierungsbezirk endgültig gescheitert; nicht einmal die beiden „Kommunionen“ (zu Belgard und Neustettin gehörend) Kollatz und Jagertow wurden beseitigt. Erst im Jahre 1827 sind sie ganz Belgard zugeteilt worden. Auch der Oberpräsident Pommerns, Johann August Sack, der Anerkanntes für das Land getan hatte und im Jahre 1818 seine Provinz bereiste, konnte keine Reform mehr erreichen. So blieb der Belgarder Kreis in seinen alten Grenzen. 2)

Literatur:

1) Martin Wehrmann; „Geschichte von Pommern“

Weidlich Reprints, Würzburg; Reprint der Ausgaben von 1919 und1921

2) Dr. Gerhard Müller, Stettin: „Der Belgarder Kreis und die

Verwaltungsreform von 1815/17“

In: Aus dem Lande Belgard, 11. J., S. 81 f