Die jüdische Gemeinde Belgard

Gerhard Salinger

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erfolgte eine Eingabe der Belgarder Ritterschaft, die Juden nicht aus dem Lande zu verjagen, da sie den Bauern, Schäfern und Gutsverwaltern mehr für die ländlichen Produkte bezahlen, als diese in den Städten erhalten konnten, wo sie zudem höhere Preise zahlen mußten. Aber der Magistrat von Belgard protestierte. Als sich 1722 ein Jude um ein Privileg auf Belgard bewarb, erklärt er, daß bereits „zu viele Juden“ in der Stadt wohnten, die die Existenz der Einwohner bedrohten. Man fürchtete, daß durch weiteren Zuzug von Juden eine kleine jüdische Gemeinde entstehen könne.

Die beiden „Schutzjuden“, die man zugelassen hatte, starben 1728. 1736 wohnten wieder zwei „Schutzjudenfamilien“ in Belgard; sie umfassten zehn Personen. 1764 waren es vier Familien; sie zahlten als „Schutzgeld“ 45 Taler und 20 Groschen. Im Jahre 1812 waren in Belgard 25 jüdische Familien anwesend. 1849 wohnten 136 Juden in der Kreisstadt Belgard, 1871 waren es 243, 1880 281 und 1889 216 Juden.

Nur kurzlebig war das Rabbinat in dieser Stadt. 1845 kam Dr. Jacob Hirsch Jacobson nach Belgard; er ging 1852 nach Marienwerder. In den folgenden Jahren fungierten als Lehrer und Prediger: S. Abramowitz um 1889, L. Kamerase 1893-1897, Hermann Levi 1898-1904, H. Zimmt 1905-1910, Wilhelm Teller 1911-1919 und Max Ehrenberg 1920- 1936. Dieser wanderte nach Shanghai aus und starb 1984 im Alter von 95 Jahren in New York.

Als im Jahre 1920 der sogenannte Kapp-Putsch erfolgte, kam es in Belgard zu antisemitischen Agitationen. Jüdische Geschäfte wurden geplündert, jüdische Männer wurden verhaftet und mit Erschießung bedroht. Dies hatte wohl zur Folge, daß die jüdische Bevölkerungszahl 1924 auf 100 sank. Danach aber beruhigte sich die Lage. Um 1932 lebten etwa 30 jüdische Familien mit etwa 112 Personen in Belgard.

Der jüdische Friedhof befand sich in der Nähe des Pferdemarktes, zwei Kilometer südöstlich der Stadt, unweit der Polziner Chaussee. Er wurde während des Nationalsozialismus mutwillig zerstört.

Die um 1826 erbaute Synagoge, die sich in der Jägerstraße befand, wurde nach 1938 von einem SA-Sturm genutzt. Später diente sie anderen Zwecken. Zuletzt wurde sie zu einem Wohnhaus umgebaut und 1988 abgerissen.

Quelle:
Gerhard Salinger, Jüdische Gemeinden in Hinterpommern, S. 41 / 42 in:
„Halte fern dem Lande jedes Verderben…“, Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, herausgegeben von Margret Heitmann und Julius H. Schoeps unter Mitwirkung von Bernhard Vogt, 1995

Mit freundlicher Genehmigung des Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York