Eine Vita über Elisabeth und Gerhard v. Hagen-Langen

Eine Vita über

Elisabeth und Gerhard v. Hagen-Langen

von ihrem Enkelsohn

Albrecht v. Hagen-Langen

 

Beide stammten aus uradeligen ( deutschen ) Geschlechtern.

Elisabeth aus der Uckermark und Gerhard über das Eichsfeld

aus den pommerschen Ländereien.

Eine Ahnentafel aus den letzten 5 Generationen gibt ein wenig mehr Auskunft

– siehe Anhang -.

Elisabeth v. Stülpnagel wurde am 02. Dezember 1876 geboren und wuchs in Lindhorst in der Uckermark auf . Die Stülpnagels werden verschiedentlich in hohen preussischen und deutschen Staats- und Militärdiensten erwähnt. Sie waren dem Staat mit seinen jeweiligen Herrschern und Repräsentanten verpflichtet. Sie gehörten zu „ Preußens Gloria. „

Elisabeth wuchs 2 Jahre im „ Augusta Stift „ der Kaiserin auf, erhielt also eine großrahmige Erziehung. Ihren Vater bewunderte sie und ließ sich leidenschaftlich gerne von ihm in die praktische Landwirtschaft einweisen.

Als „ Heckenröschen „ verkleidet lernte sie dann ihren zukünftigen Mann siebzehn jährig auf einem Kostümball kennen. Die erwünschte Verlobung allerdings durfte erst mit 21 Jahren vollzogen werden.

Gerhard v. Hagen wurde am 24. September 1872 als Sohn des Landedelmannes Guzstav v. Hagen geboren. ( Der Landadel hatte früher die Pferde und die Soldaten ( Knechte ) für die Lehnsherren in den Kriegen Preußens zu stellen ). Die turbulente Schulzeit wurde mit Abitur beendet und mit dem Landwirtschaftsstudium in Heidelberg ( als Corpsstudent ) fortgesetzt.

Die Verlobung mit Elisabeth durfte er erst als 25 jähriger 1897 vollziehen und tat das auch gleich am ersten Tag danach. Kurz nach seiner Heirat musste er wegen des plötzlichen Todes seines Vaters Langen überraschend übernehmen. Gerhard entwickelte sich zum leidenschaftlichen Landwirt und Offizier und ließ sehr schnell die Begabung eines guten Kaufmannes und Organisators erkennen. Von Politik verstand er dagegen wenig. Noch vor dem ersten Weltkrieg ( 1914 – 1918 ) sanierten Elisabeth und Gerhard das Rittergut Langen – vor allem mit der florierenden Brennerei ( Brennrechte bis zu 330.000 Hektoliter jährlich ) und einem der ersten Dampfpflüge Langen – das heutige Légi – zum wohl profitabelsten landwirtschaftlichen Betrieb in Pommern ( trotz Inflation in den zwanziger, brauner Regierung in den dreißiger und Krieg in den vierziger Jahren ) , bis dann nach Kriegsende alles „ vor die Hunde „ ging.

Elisabeth und Gerhard hatten 5 Söhne und 2 Töchter geb. 1899, 1900, 1902 1904, 1907 und 1917, 1919. Während des ersten Weltkrieges war Gerhard natürlich an der Seite seiner Obrigkeit. Er war Pasewalker Kürassier und überließ die Kinder und die Landwirtschaft seiner überaus tüchtigen in der Landwirtschaft kenntnisreichen Frau Elisabeth. Sie war nicht nur eine talentierte Landwirtin, sie war eine disziplinierte und Respekt einfordernde Mutter, sie war eine Meisterin in Organisation und Menschenführung. Das Gut war in ihren Händen bestens aufgehoben.

Die Söhne wurden an die Landwirtschaft herangeführt, nur der 4. – Albrecht – war mehr geistig interessiert. Er verstand es auch, seine Mutter vor allzu großer Strenge ihm gegenüber zu bewahren. Albrecht wurde ihr Lieblingssohn.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges kam Gerhard ( nun Herr Major ) wieder heim und übernahm selbstverständlich das Kommando in Langen. Elisabeth soll das nicht so sehr geschmeckt haben. Sie war nun nicht mehr uneingeschränkte Herrin auf dem Feld und in den Ställen, sondern sie konnte nur noch im Haus und im Garten schalten und walten, wie sie wollte. Das soll in den ersten Jahren nach dem Krieg die Harmonie im Hause Langen ein wenig getrübt haben. Aber die 1917 und 1919 geborenen Töchter haben das Klima beruhigt und alle Kräfte für die immer schwieriger werdenden Jahre verbunden. Die Inflationsjahre wurden für Gerhard die großen Erfolgsjahre. Er nahm Kredite auf und kaufte pleite gegangene Güter für seine Söhne auf.

Mit Kartoffeln und Schnaps zahlte Gerhard seine alltäglichen Rechnungen und beglich die Schulden bei den Banken in kürzester Zeit. Neuschlage und Eichhof als Vorwerke um Langen herum, Schöneberg, Dubbertech im Hinterpommerschen Bereich und nicht zuletzt Altgaul bei Berlin wurden erworben. Der Landwirt hatte seine kaufmännische Meisterleistung abgeliefert und gab seinen Söhnen schon sehr früh Vollmachten auf den ihnen zugewiesenen Gütern und beriet sie auf Wunsch. In den zwanziger Jahren wuchs der Wohlstand in Langen von Tag zu Tag; die „ Leute „ erhielten neue Wohnungen, das Inventar wurde über Sachwerte auf den neuesten Stand gebracht. Die Brennerei erhielt immer höhere Brennlizenzen. Das Umfeld lieferte Kartoffeln und Zuckerrüben hinzu, weil Langen nicht genügend selbst anbauen konnte.

Gerhard wurde in Pommern in den dreißiger Jahren immer bekannter und damit auch einflussreicher. Er bekleidete eine Reihe landwirtschaftlicher und brennereispezifischer Posten und Pöstchen, wurde Kurator des Johanniter Krankenhauses in Polzin und wußte im Lande sehr gut „ who is who „.

Die Söhne wurden in den zwanziger Jahren in die Studien nach Heidelberg geschickt, wo er selbst auch studiert hatte. Gerhard bezahlte die Studien mit Kartoffeln und Korn. Vier kamen als Landwirte und einer – Albrecht – als Jurist zurück.

Die Töchter – Ria und Roseli – besuchten prominente Internate und Hausfrauenschulen und wurden auf ihre Aufgaben als Ehefrau, Gutsherrin und zukünftige Mütter vorbereitet.

Die „ Braunen „ gingen schon sehr früh mit Gerhard vorsichtig um – bekanntlich mochten die Braunen die Adeligen nicht – und er mit ihnen ebenso. Keiner konnte so recht ohne den anderen. Die Spielregeln werden von beiden Seiten eingehalten. Mitgliedschaft in der NSDAP bedeutete: frei Schalten und Walten können. Das Volk hatte Hunger und Durst, Gerhard lieferte, wo er konnte und erhielt gute Preise. Die Bevölkerung in Langen erhielt so festen Lohn – bis in den Februar 1945. So lange war Frieden in Langen trotz der infernalischen Gefechte rings herum !!!!

Während der Kriegsjahre halfen Gefangene in der Landwirtschaft, erst Polen bei den Bauern im Dorf. Sie lebten frei und ersetzten die in den Krieg gerufenen Söhne. Meist war die Zusammenarbeit mit der Bauernfamilie ohne Umstände möglich; aber menschliche ( jedoch verbotene ) Beziehungen der polnischen Arbeiter zu den bäuerlichen Familien blieben ( insbesondere zu den jugendlichen Töchtern ) nicht aus. So mußte des öfteren durch Gerhard und Elisabeth schlichtend gehandelt werden ( die infragestehenden polnischen „Gefangenen „ wurden möglichst weit versetzt.) Dann kamen Franzosen dazu. Sie wurden in der „ Remise „ ohne Wachen kaserniert und erhielten eine eigene Küche am Fluß. Elisabeth sprach ein wenig französisch und hatte zu den Franzosen ein sehr gutes Verhältnis.

Ab 1942 kamen dann zusätzlich Russen. Sie wurden durch deutsche Soldaten bewacht und unter dem „ Leute „-Kuhstall hinter Stacheldraht untergebracht. Die Kellerbehausung war dürftig, wurde aber von den Russen einigermaßen gemütlich eingerichtet – ich durfte mich als 10 jähriger selbst davon überzeugen. Die Russen wurden als Pferdeknechte verwandt; d.h., sie erhielten jeder ein Gespann ( 3 Pferde ) zur Pflege und für die Feldarbeit. Ihre Gesänge nach Feierabend und an Sonntagen sind mir noch tief in Erinnerung. Gewaltige Chöre waren das in meinen Ohren.

Alle Gefangenen wurden den Umständen entsprechend ordentlich behandelt. Die Großeltern reagierten auf Vorschläge, soweit sie es vermochten und durften. Ich hatte niemals Sorge, die Gefangenen würden mir etwas tun oder mich als Geisel irgendwann einmal verwenden.

In Langen gab es nichts zu Hungern und zu Dürsten; und Wasser zum Reinigen war auch genug da Nur die Freiheit war für alle eingeschränkt. „ Gefangene „ und Landbevölkerung ( ohne die wehrfähigen deutschen Männer ) lebten und arbeiteten zusammen. Es war bis zum Einmarsch der Russen eine friedliche Lebensgemeinschaft. Elisabeth und Gerhard hatten daran erheblichen Anteil.

Der entscheidende Schicksalsschlag für Elisabeth und Gerhard war nicht so sehr das Eigentum vernichtende Kriegsende 1945. Es war das letzte Attentat auf Hitler am 20.Juli 1944, bei dem ihr liebster Sohn – Albrecht – ohne ihr Wissen beteiligt war Schon vorher hatten sie ihren zweiten Sohn Gerd – als vermisst gemeldet – verloren, und sie waren seinetwegen in steter Trauer. Aber Albrecht als Verbrecher am 08.08.44 gehängt, das war ein Schock, der sie lebenslang begleitet hat. Von der Beteiligung ihres Sohnes Albrechts am Attentat auf Hitler erfuhren sie erst im Gefängnis in Köslin bzw in Sachsenhausen. Mehrere Monate wurden sie dort gefangen gehalten, verhört und auf Mitwissertum überprüft. Aber Albrecht hatte niemanden eingeweiht. Als Hitler sich ein wenig beruhigte und auf Grund der wichtigeren Ereignisse die Sippenhaft für Elisabeth und Gerhard erst einmal hinausschob, durften beide im Spätherbst nach Langen zurück. Das für sie tragische Ereignis konnten sie erst daheim gemeinsam in sich aufnehmen. Sie betäubten sich mit Arbeit bis zum Kriegsende, mit besonderer Sorge um Mutter Erica und ihre Kinder, um die Schöning- und die Glasowkinder und kümmerten sich noch intensiver um ihre „ Leute „, ( also auch die verschiedenen Gefangenengruppen ). Gerhard hatte zwar den Glauben an den Sieg immer noch nicht so ganz aufgegeben, schließlich wurde ja an der Wunderwaffe – V 2 und V 3 – gearbeitet, die doch Kriegs entscheidend sein sollte; aber auch er bereitete schließlich das Dorf und den Hof auf das Schlimmste – den Treck, die Vertreibung – vor. Der Treck wurde dann – nach Ausharren bis zur letzten Minute auf Grund der Anordnungen der dörflichen Parteigrößen – unausweichlich. Schon der Frauen wegen, die in anderen Dörfern unsäglich unter der sowjetischen Soldateska zu leiden hatten, begann das oftmals beschriebene Treck – Martyrium.

Elisabeths und Gerhards Aufgabe/Berufung/Arbeit/Einstehen/Besorgtsein/Fürsorge für Langen und seine Bewohner war mit Auseinanderbrechen des Trecks wenige Tage nach seinem Beginn beendet. Eine für sie dramatische Erkenntnis.

Durch aufopfernde Verhaltensweisen der Langener Bevölkerung, insbesondere der örtlichen Bauern, wurden Elisabeth und Gerhard versteckt, geschützt und bis zu ihrer Ausweisung am Leben erhalten, vor körperlichen Strafen bewahrt und betreut

Von 1898 bis März 1945 haben sie das Leben in Langen entscheidend geprägt.

Während all der Veränderungen haben sie für Langen, für ihre Kinder und deren Kinder, für die Bewohner des Dorfes ( eingeschlossen die Gefangenen ) und die Region und für den gemeinsamen Erfolg dort gelebt und gearbeitet. Sie waren Vorbilder für eine ganze Gutsherrengeneration in der Region Bad Polzin, Schivelbein, Belgard und Köslin.

Elisabeth und Gerhard sind meine Großeltern väterlicherseits und meine wichtigsten Vorbilder. Sie waren voller Güte und Zuwendung, hatten einen ordentlichen Schuß Selbstironie, sie zeigten Strenge da, wo es nach ihrer Meinung angebracht war und der Erden Mittelpunkt war dort, wo sie gerade standen. Ich habe sie als Kind und Jugendlicher in Langen erleben, lieben und fürchten können, dürfen, müssen. Sie haben meinen Lebensweg mit gestaltet. Sie liebten das Leben, aber sie taten auch etwas dafür. Ihr soziales Verhalten benötigte keine Gesetze. Ihre Sorge galt der Gemeinschaft um sie herum. Was wäre Légi heute ohne sie, und was wären meine Großeltern ohne Langen gewesen ??? Eine wohlwollende Erinnerung an sie steht uns allen in dieser Gegend gut an. Elisabeth und Gerhard haben sich um diese Region verdient gemacht. Ihre Namen sollten nicht vergessen werden. Der Verein als einer ihrer Namensträger sollte uns stets ihrer erinnern helfen.

Wenn der Verein für Légi und die umliegende Region soviel tut wie die Namensträger getan haben, dann steht dem Umfeld schnell eine gute Zukunft bevor.