Kniestrümpfe bei zehn Grad unter Null

Kniestrümpfe bei zehn Grad unter Null

Meine ersten Schuljahre verbrachte ich in Rarfin, Kreis Belgard, welches bis 1945 ein Guts- und Bauemdorf war, was man heute nicht mehr sagen kann, denn es ist einiges nicht mehr vorhanden. Der Ort bekam 1930 eine neue zweiklassige Schule; auch ich durfte als Schulanfänger somit an der Eröffnung teilnehmen.

Mein erster Lehrer war Herr Räuber, später dann Herr Framke, als Hauptlehrer wirkte Herr Eichstädt im Ort. Zu jener Zeit mußten wir den Schulweg noch zu Fuß machen. Ich muß da an Familie Grützmann denken. Die Kinder hatten einen weiten Weg – meiner Meinung nach zweieinhalb Kilometer, denn die Familie hatte ihren Hof außerhalb des Dorfes.

Ihr Weg führte am Kavelsberg vorbei, wohin wir Kinder mal von der Schule im Winter mit unseren Schlitten gingen, um zu rodeln. Wir hatten auch eine kurze Rodelbahn am Kellerberg, aber da gab es Probleme mit den Bewohnern, denn diese mußten auch den Weg hinuntergehen, um ihr Wasser für den Haushalt von der Pumpe zu holen. Früher hatten die Leute noch keine Wasserleitung auf dem Dorf wie heute. So streuten sie dann Asche auf den Weg und wir Jungen machten dann später mit Wasser die Bahn wieder glatt.

Oft waren wir auch auf dem Teich neben dem Jungviehstall, um dort auf dem Eis zu schlittern, manche hatten auch schon Schlittschuhe, aber meistens ging es mit Holzpantoffeln. Einige hatten sich auch einen einfachen Schlitten gebaut – so verbrachten wir früher den Winter.

Noch eine Erinnerung durch ein Bild vom 12. März 1932. Der zweite Inspektor, Herr Skrobek, kam auf die Idee, ein paar Schlitten zusammenzubinden, ein Pferd anzuspannen -und ab ging die Schlittenfahrt nach Stolzenberg. Dort machten wir bei Schlachter Lüdecke Pause, indem wir uns dort aufwärmten bei Komfrank-Kaffee und belegten Brötchen oder Würstchen. Danach wurde die Heimfahrt angetreten: Heute ist so etwas nicht mehr möglich wegen des Autoverkehrs und anderer Einflüsse im Winter.

Ich persönlich mochte nicht die langen, gestrickten Strümpfe im Winter, und so ging ich auch im Winter mit Kniestrümpfen zur Schule. Herr Eichstädt und der zweite Lehrer standen vor der Tür, schauten in Richtung Less, wie die Schüler dort um die Ecke kamen. Plötzlich waren sie nicht mehr dort. Was war passiert? Jochen Holtz kam um die Ecke – mit Kniestrümpfen bei minus zehn Grad Celsius.

Im Sommer haben wir oft Völkerball in der großen Pause gespielt; es gab Tage, an denen Herr Eichstädt gut gelaunt war. Dann wurde diese Pause auch um einige Zeit überzogen -zu unserer Freude.

Gegenüber der Schule: befand sich die Kleinbahnstation Rarfin. Diese Kleinbahn brachte jeden Tag die Milch nach Belgard, Schüler zum Schulbesuch oder Besucher in die Stadt. Neben dieser Station war ein großer Platz, auf dem wir damals Schlagball spielten. War es nun im Sommer heiß, so ging es von der Schule zum Baden ans Krumme Wasser. Dieser Weg führte übers Gut am Sägewerk vorbei, dann zum Haus der Familie Lübeck, in dem später Familie Lenz gewohnt hat. Etwas weiter lag das Haus der Familie Rackow, umgeben von Bäumen. Es schloß sich eine Wiese an, dann war unser Ziel erreicht. Insgesamt ein Weg von ca. zwei Kilometern. Leider stehen die Gebäude nicht mehr, wie ich mit Rarfinem bei einem Besuch Mitte 1991 festgestellt habe.

Ich selbst war 1975 wieder in Pommern, schaute auch in Rarfin vorbei. Leider durfte man zu dieser Zeit den Gutshof nicht betreten. 1935 verließ ich mit den Eltern den Ort. Ich war dann aber später noch öfters in den Schulferien bei Hans Otto zu Gast, somit blieb die Verbindung bis heute bestehen, wenn uns einige auch schon für immer verlassen haben.

Jochen Holtz

Pommersche Zeitung, Folge 45 / 98, 7. November 1998