Springkrug

Geschichte und Jugenderinnerungen von Heinz Ott, geboren in Springkrug

Salz war im Mittelalter und z.Zt. der Hanse ein wertvolles und begehrtes Handelsgut. Die Sole aus den Solequellen in Kolberg wurde gesiedet und das Salz von dort über die Handelsstraßen, auch Salzstraßen genannt, in das Innere des Landes mit Planwagen transportiert. Das Holz, als Energiespender zum Sieden des Salzes, wurde in den großen Wäldern um Springkrug herum geschlagen und zum größten Teil mit Flößen auf der Persante – bis 1926 – nach Kolberg transportiert. Das Salz wurde im Tauschhandel gegen andere Waren eingetauscht.

Ein bedeutender alter Handelsweg, der bereits im Mittelalter eine große Bedeutung hatte, führte von Kolberg über Belgard – Sternkrug -Springkrug – Seekrug am Dubberower See – Burzlaffer Mühle – Groß Tychow nach Neustettin und von dort weiter nach Polen. Auf dieser alten Landstraße zog 1124 der Bischof Otto von Bamberg, von Gnesen kommend, – Kaiser Otto III gründete im Jahre 1000 das Erzbistum Gnesen, östlich von Posen -, nach Kolberg. Er taufte in Belgard und Kolberg und legte hier den Grundstock zum Christentum

An dieser alten Handelsstraße in dem Dreieck: .Siedkower Wald, Boissiner Wald, Dubberower Wald und den Ackerflächen der Gemeinde Roggow, hatten sich im Mittelalter ein Krug und einige Büdner – kleine Grundbesitzer -angesiedelt. Hier konnten die Fuhrleute, kurz vor den Toren der Stadt Belgard, ihre Pferde ausspannen und übernachten; denn die Stadttore wurden abends geschlossen, und das fahrende Volk wollte man des Nachts nicht gerne innerhalb der Stadtmauern haben. Sie schliefen im Stroh bei ihren Pferden und mußten nachtsüber ihre Planwagen bewachen, damit nichts gestohlen wurde. Im Krug gab es warmes Essen, selbstgebrannten Alkohol sowie Futter für die Pferde.

Diese alte Landstraße war nicht nur eine bedeutende Handelsstraße, sondern auch eine bekannte Heerstraße, auf der die kaiserlichen Truppen des 30 jährigen Krieges, die russischen Truppen 1756 – 1?63 während de Siebenjährigen Krieges, sowie die französischen Truppen 1807 und 1813 zogen. Wie die russischen Soldaten 1945, haben sie geraubt und die Bewohner getötet. Die Springküger hatten in diesen schweren Zeiten besonders zu leiden. Meine Großmutter, Karoline Oft, geb. Lemke. erzählte uns Kindern die grausame Geschichte aus der Franzosenzeit:

„Französische Truppen hatten in unmittelbarer Nähe des Kruges in Springkrug ihr Biwak aufgeschlagen. Die Regimentsobristen hatten die Häuser in den umliegenden Dörfern zur Plünderung freigegeben, so daß jeder Soldat seinen geringen Sold durch Beutegut aufbessern konnte. Die Bewohner vom Springkrug versteckten ihre Lebensmittelvorräte und trieben das Vieh in die angrenzenden Wälder, um es zu retten. Im Krug wurde schwer gezecht und nachdem der vorhandene Alkohol ausgetrunken war, verlangten sie vom Wirt des Kruges, er sollte aus seinen versteckten Vorräten Alkohol herbei schaffen. Nachdem der Wirt erklärte, daß kein Alkohol in seiner Gastwirtschaft vorhanden wäre, wurde er daraufhin .von einem französischen Soldaten mit einem Säbel erstochen. Seine Leiche warf man in den Dubberower See. Welch grausame Tat l“

Vieles könnte diese alte Landstraße über die vergangenen Jahrhunderte erzählen, doch sie ist heute stumm, denn die letzten Anlieger wurden 1945 vertrieben und die alten Bewohner, die uns Kinder, im Winter in der Schummerstunde am warmen Ofen, Geschichten und Begebenheiten aus früheren Zeiten erzählten, ruhen auf dem Roggower Friedhof oder sind fern ihrer Heimat verstorben. Heute sieht man nur noch die ausgefahrenen Schluchten im Dubberower Wald. Die alten Bäume, die heute noch an dieser alten Land- und Handelsstraße stehen, sind die letzten Zeugen vergangener Zeiten.

Wenig bekannt war bisher, daß der Krüger vom Springkrug auch königlicher Holzwärter gewesen war, bis die königliche Försterei Dowenheide errichtet wurde. Ludwig Wilhelm Brüggemann schreibt 1784:

„Der Springkrug oder Campin- oder Campinkenkrug.. liegt 1 Meile von Belgard auf dem Boißinschen Felde, gerade der Boißinschen Wassermühle über gegen Süden an dem Fuße des so genannten Cappinkenberges ( 115,5 m hoch ) und an der Landstraße nach Neustettin und Bärwalde, hat 70 Morgen und 69 Ruthen, ist zu Boißin in der Belgardschen Synode eingepfarrt. Der hiesige Krüger ist bisher zugleich königlicher Holzwärter gewesen, jetzt aber soll in der Dowenheide an dem sogenannten Ellersoll eine besondere Wohnung für den Unterförster gebaut werden.“

Danach gehörten zum Springkrug nur die Hofstellen, die unmittelbar an die alte Handelsstraße grenzten und in dem Walddreieck lagen. Dies waren: Klotz, Pöning, Kath und der Krüger Jeske. Alle anderen Höfe gehörten zur Gemeinde Roggow.. Dies bestätigt auch der Taufschein meiner Urgroßmutter Hanna Lemke, geb. Klotz, von 1832 die im Pfarramt Lenzen registriert worden ist. Später ist jedoch ein Austausch der Landflächen zwischen den Gemeinden Boissin und Roggow vorgenommen worden, so daß nur noch die Hofstelle des alten Kruges zur Gemeinde Boissin gehörte.

Bedingt durch die Wohnlage unmittelbar an den großen Wäldern und ihre Nebeneinnahmen aus den Forsten, waren die alten Springkrüger Waldmenschen. Das Leben auf den kleinen Höfen war karg und die Kinderzahl wie überall groß. Einige haben ihre Höfe verkauft und sind nach Amerika ausgewandert. Der alte Spruch vom Springkrug : „Kein (verharztes Kiefernholz) Besse und Beere, möte de Springkröger ernähre“, sagt alles über diese harten Zeiten. Die älteren Bewohner bekamen von ihren Hoferben nur ein spärliches Altenteil in Naturalien; eine Rente gab es für diese Leute nicht. Sie holten sich die Kienstücke aus dem Wald, zerhackten diese zu kleinen Holzspänen und verkauften diese gebündelten Kienholzspäne in Belgard auf dem Wochenmarkt; denn Kien wurde in jedem Haushalt zum Anzünden von Holz und Kohle gebraucht. Die Besen wurden aus Birkenreiser gebunden und Körbe und Kiepen aus Kiefernwurzen geflochten. Auch das Blaubeerenpflücken brachte einen kleinen Nebenverdienst. Wenn in Belgard die Preise zu schlecht waren, fuhr man mit den Blaubeeren nach Kolberg und verkaufte sie dort zu besseren Preisen. Meine Mutter, Frieda Oft, erzählte mir, daß fast alle Jugendlichen vom Springkrug und von Boissin von 1900 bis 1914 jedes Frühjahr zur Försterei nach Dowenheide gingen, um die großen Kahlschläge wieder aufzuforsten und mit kleinen Kiefern zu bepflanzen. Noch als 80jährige schwärmte sie von diesem schönen Nebenverdienst und der guten Harmonie unter den Jugendlichen.

Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde die Polziner Chaussee ausgebaut, mit einem Abzweig von Boissin über Kiefheide nach Groß Tychow. Seit dieser Zeit versiegte der Handelsverkehr auf der alten Landstraße; denn trotz dem Umweg über Boissin war die Schotterstraße leichter zu befahren, als über den hohen Berg im Dubberower Wald. Nur die Viehtreiber trieben ihre Schweine weiterhin von den Gütern in Groß Tychow, Burzlaff und Zadkow zur Vermarktung nach Belgard. Bei der Rückkehr von Belgard wurde dann das Handgeld im Krug verzehrt und einige Viehtreiber mußten erst ihren Rausch ausschlafen, bevor sie ihren Heimweg antreten konnten.

Ortsplan

Fotosammlung Roggow mit Springkrug und Sternkrug