Sternkrug, früher Roggow Abbau

Von Charlotte Hasemann geborene Gutzke

Sternkrug wurde in den Jahren 1926 bis 1928 erbaut. Die Siedlung als Teil der Gemeinde Roggow bestand aus 23 gepflegten Siedlungshäusern mit kleinen Wirtschaftsgebäuden. Ein Blumengarten an der Straße zierte jedes Haus. Die Grundstücke waren je 2.500 qm groß, und soweit die Fläche nicht überbaut war, diente sie als Nutzgarten für den Anbau von Kartoffeln und Getreide. Die meisten Bewohner kamen aus Westpreußen, von wo sie von den Polen nach dem Versailler Vertrag vertrieben worden waren, andere aus Roggow, Denzin und der Umgebung; Wohnungen waren schon damals knapp.

Gern sah die Gemeinde Roggow Sternkrug nicht. Die arbeitende Bevölkerung verdiente wenig und zahlte keine Gemeindesteuern. Zunächst – nach 1920 – war in Sternkrug kein elektrisches Licht und die Polziner Chaussee in schlechtem Zustand. Später dann wandelte sich das Bild von Sternkrug; es erhielt elektrisches Licht und die Straße, da Reichsstraße, wurde ausgebaut und asphaltiert. Die Ahornbäume beidseits der Straße, die blühenden Gärten an der Straße und die gepflegten Häuser verwandelten Sternkrug zu einer allseits beachteten und schmucken Siedlung. Nur selten verkehrte ein Auto, und so konnten wir Kinder auf der Straße mit dem Kreisel, mit Murmeln, selbstgebastelten Sachen, Puppen und Kinderwagen spielen.

Die Zwanziger Jahre, die Zeit der Wirtschaftskrise, traf die Familien, deren Ernährer als Arbeitnehmer das Brot verdienen mußten, hart. Im Winter waren die Männer in der Regel arbeitslos, und das Stempelgeld reichte nicht für den Lebensunterhalt. Darüber hinaus litten einige Familien darunter, daß der Mann dem Alkohol zugetan war. So kam es vor, daß der Mann das Stempelgeld vertrank und die Frau zusehen mußte, wie sie die Familie ernährte. Auf vielerlei Weise versuchte man, die wirtschaftlich trostlose Zeit zu überbrücken. Der Garten wurde intensiv genutzt und Kleinvieh gehalten. Im Winter rodeten die Männer Stubben in den Wäldern und sorgten so für eine warme Stube. Später dann, Ende der 20iger / Anfang der 30iger Jahre, besserten sich die Verhältnisse. Ein bescheidener Wohlstand tat sich auf. Das Fahrrad wurde für alle erschwinglich, einige fuhren Motorrad und viele konnten sich z. B. ein Radio kaufen. Zu essen gab es, auch im Kriege. Und wenn die Fleischration einmal ausging, wurde „ein bisschen“ gewildert; denn Hasen gab es in Sternkrug reichlich.

Der Weg zur Schule nach Roggow war im Frühjahr am schönsten. Die Luft war mild wie Seide. Wir freuten uns über die Sumpfdotterblumen – die Lerchen und Kiebitze. Aber auch die Sommerzeit mit ihren langen Ferien war eine unvergesslich schöne Zeit. Die Sternkrüger mußten nicht in der Ernte helfen oder die Kühe und Gänse hüten, wie die Bauernkinder; wir tobten im Wald umher und genossen an warmen Tagen die Badefreuden in der Persante. Uhren hatten wir Kinder nicht. Das Leben spielte sich zwischen den vorbeifahrenden Zügen ab. Morgens hieß es beim „Sechser-„, im Winter beim „Siebener Zug“ aufstehen und zur Schule gehen. Passierte nachmittags der „Vierer Zug“ Sternkrug, so war das das Zeichen nach Hause zu eilen; denn jetzt kehrte Vater heim, und es gab warm zu essen. Nach dem Essen wurden die Füße in einer kleinen Waschschüssel gewaschen ( ob die immer sauber waren ? ) und wir saßen anschließend mit den Eltern vor dem Hause auf der Gartenbank, genossen die kühle Abendluft warmer Tage und hörten in den Wiesen hinter der Bahn die Bekassinen ( wir sagten Himmelsziegen) meckern und lauschten in vorgerückter Abendstunde den Nachtigallen an der Persante.

Die Gegend um Sternkrug war waldreich. Schon in der Nähe gab es reichlich Rehfüße (Pfifferlinge), Steinpilze und Blaubeeren. Manche kamen abends mit Körben voller Pilze nach Hause; diese Sternkrüger kannten die üppigen Pilzplätze und verdienten mit dem Pilzesammeln Geld. Selbst Wohnungseinrichtungen wurden so finanziert. Im Herbst wurde Laub geharkt zum Streuen für die Ziegen im Stall; es fand, kompostiert, auch Verwendung als Dünger im Garten.

Der Winter begann allgemein früh und war bitterkalt. Der Schulweg nach Roggow war dann beschwerlich für uns. Häufig saßen wir mit nassen Füßen da, haben gehustet und geschnupft, die Schnoddernase hing lang herunter; viele hatten kein Taschentuch und wischten die Nase einfach am Ärmel ab. Husten und Schnupfen hinderte uns nicht am Schulbesuch. Oft konnten wir, weil es zu stark geschneit hatte, nicht über den Krähensteg zur Schule, dann mußten wir „hintenrum“, d. h. über die weiße Brücke; das war ein langer Weg. Später bekamen wir Überschuhe aus Gummi; vor nassen Füßen bewahrten aber auch sie nicht.

Unser Kaufmann war Frieda Maaß geborene Ruhnke. Wenn Maaßens Samstags mit ihrem Auto aus Belgard zum Sternkrug kamen, gingen alle Frauen zum Einkaufen auf die Straße. Wir Kindern belagerten dann die Kaufstatt. Als Zugabe zum Kauf erhielt Mutter eine kleine spitze Tüte Bonbon und ein Stück Seife. Was haben wir uns doch über die Bonbons gefreut ! Frau Maaß war großzügig, und wir Kinder setzten gern den Groschen um, den wir gelegentlich von einem Onkel oder einer Tante erhielten.

Liebenswürdige Erinnerungen der Kindheit. Wohl niemand von uns einstigen Kindern des Sternkrugs wird sie missen wollen!

Ortsplan

Fotosammlung Roggow mit Springkrug und Sternkrug