Die Schivelbeiner Rabbiner

Julia Henke Mai 2023

Spätestens ab 1861 hatte die jüdische Gemeinde in Schivelbein ihren ersten hauptamtlichen Prediger und Lehrer. Der Vorstand der Synagogengemeinde hatte im Juli 1861 die Stelle eines Lehrers, der auch öffentliche Vorträge in der Synagoge halten solle, ausgeschrieben.

Der Isralit, Heft 29, 17.07.1861

Die Wahl fiel auf Dr. Julius Joel, geb. 1825 in Labischin, Provinz Posen. Dr. Joel war zwei Jahre lang in Schivelbein tätig, bevor er Rabbiner in Lauenburg wurde. Ab 1871 war er bis zu seinem Tod am 14.11.1894 Inspektor für das Begräbniswesen der jüdischen Gemeinde Berlin.

„Der Gemeindebote“ 58. Jahrgang Nr. 47, 23.11.1894, S.1

Ihm folgte der Rabbiner Hirsch Rackwitz, der 30 Jahre für die jüdische Gemeinde in Schivelbein tätig sein sollte. Rabbi Rackwitz wurde 1826 in Lissa, Provinz Posen geboren und starb am 4. Juni 1893 in Berlin.

Allgemeine Zeitung des Judenthums, 57. Jahrgang, Nr. 24, 16.06.1893

Rabbi Rackwitz hatte der Kantor und Schächter Isaak Groddeck, geb. 1817 in Krotoschin, Provinz Posen zur Seite gestanden, der nur ein Jahr später am 27.08.1894 in Schivelbein starb und bis dahin wahrscheinlich Teile der Aufgaben von  Hirsch Rackwitz nach dessen Tod übernommen hatte.

Danach verzichtete die jüdische Gemeinde auf einen Rabbi und beschäftigte ab 1895 für fast 30 Jahre den Lehrer Siegmund Saul. Er wurde 1849 in Lobsens, Provinz Posen geboren und starb am 27.10.1922 in Schivelbein. Das Grab seiner Frau Emma Saul, geb. Horwitz findet sich noch heute auf dem jüdischen Friedhof von Świdwin.

Der Gemeindebote 14.06.1918, S. 3

Es folgte der Lehrer und Kantor Siegfried Alexandrowitz, geb. 06.02.1891 in Russ im Memelland in Ostpreußen. Er starb bereits mit 37 Jahren am 9. April 1928 im jüdischen Krankenhaus in Berlin.

„Führer durch die jüdische Wohlfahrtspflege in Deutschland 1928, S. 50

Ab 1929 finden sich dann die Spuren von Max Jankelowitz, Prediger und Lehrer, der am 21.11.1901 im memelländischen Kretinga geboren wurde und vor allem die Jugendarbeit der jüdischen Gemeinde in Schivelbein vorantrieb.  „Der rührigste Bund in Pommern ist zur Zeit Schivelbein, wo unser Freund Jankelowitz das Unglaublichste an Kleinarbeit leistet.“, stellte am 1. April 1929 „Der Jugendbund – Mitteilungen des Verbandes der Jüdischen Jugendvereine Deutschlands“ fest. 1930 verließ Max Jankelowitz Schivelbein und wurde in Merzig an der Saar tätig. Er konnte mit seiner Frau Elfriede nach Palästina flüchten, wo beide 1940 eingebürgert wurde.

1930 bis 1933 wird im „Jüdischen Jahrbuch für Gross-Berlin“ David Levy als Lehrer und Kantor in Schivelbein erwähnt, 1931 Heinz Hirschberg.

Ende 1934 beschloss der Landesverband jüdischer Gemeinden, ein Bezirksrabbinat in Schivelbein einzurichten, das neben der Stadt 13 Gemeinden im Umkreis versorgen sollte.

Gemeindeblatt für die Jüdischen Gemeinden Preussens 1. Februar 1935

Am 1. Februar 1935 trat der Rabbiner Dr. Karl Richter, geboren am 31.10.1910 in Stuttgart, sein Amt an. Der Landesverband jüdischer Gemeinden stellte ihm ein Auto zur Verfügung, was ihn zu einem der ersten motorisierten Rabbiner Deutschlands machte (Wolfgang Wilhelmus, Flucht oder Tod, S. 112). Bereits ein Jahr später wurde er zum Rabbiner in Stettin ernannt, 1938 dann nach Mannheim berufen. Karl Richter konnte im April 1939 mit seiner Familie in die USA flüchten und starb am 25.09.2005 in Tampa, Florida.

Sein Nachfolger war Rabbiner Dr.  Siegfried Scheuermann, geb. 20.12.1910 in Frankfurt am Main, der in Schivelbein seine erste Rabbinatsstelle antrat. Er blieb nur ein knappes Jahr. Seine Frau Else berichtete später, dass die hauptsächliche Arbeit gewesen sei, Gemeindemitgliedern bei der schnellstmöglichen Emigration zu helfen (Wolfgang Wilhelmus, Flucht oder Tod, S. 120 f.). Dr. Scheuermann bekleidete das Amt in Schivelbein nur ein knappes Jahr bis 1936 und wurde dann Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Freiburg im Breisgau. Dr. Scheuermann schaffte es, Anfang 1939, in die USA auszureisen und starb am 18. Februar 1957 nach Namensänderung bei der Einbürgerung als Stephen Sherman in Cleveland, Ohio.

Der letzte nachgewiesene Kantor und Religionslehrer in Schivelbein war Max Ehrenberg, geb. 08. August 1888 in Strasburg, Westpreußen. In der Pogromnacht wurde er verhaftet und ins KZ Sachsenhausen deportiert. Am 20. April 1939 flüchtete er nach Shanghai. 1947 konnte er von dort in die USA ausreisen. Er starb im Mai 1984 in Palisades, New York

Quelle: https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005277