Lutzig / Stare Ludzicko

Dr. Heinrich Berghaus erwähnt in seinem Landbuch des Herzogtums Pommern aus dem Jahr 1867 Lutzig mit dem Vorwerk Neu Lutzig als Rittergut und Bauerndorf. Der Ort lag etwa sieben Kilometer nordwestlich von Bad Polzin an der nach Groß Rambin führenden Landstraße auf einem bis zu 150 Meter hohen, welligen Plateau. Auf den überwiegend mittleren Böden wurde hauptsächlich Roggen, Kartoffeln und Hafer sowie ein wenig Weizen angebaut. Bis zum Jahr 1818 gehörte Lutzig größtenteils zum Kreis Neustettin und bildete eine Exklave im Belgarder Kreis. Lutzke, wie es damals noch hieß, war anfangs den Familien von Glasenapp und von Manteuffel zu Lehen gegeben. Später wurde es in vier Gutsbezirke aufgeteilt, die dann allodiziert, das heißt den Besitzern zu Eigentum gegeben wurden. Neue Eigentümer neben den Glasenapps und Manteuffels wurden die Adelsfamilien von Borke, von Krockow und von Wacholz. 1749 kam Lutzig an Otto von Zastrow, dessen Familie lange Jahre den größten Teil des Ortes besaß. 1820 wurde es, nachdem es vorher in wenigen Jahren sieben Mal den Eigentümer gewechselt hatte, von Albert Bauk erworben. Nach den Stein-Hardenbergschen Reformen wurde in den sogenannten »Rezessen« die Auseinandersetzung zwischen adligem Gutsherrn und den Bauern geregelt, seitdem konnten auch Bürgerliche ein Rittergut erwerben. 1836 verkaufte Bauk Lutzig an Karl Bruns, dessen Familie bis Kriegsende 1945 Eigentümer blieb.

Das Gutshaus

Neu Lutzig kam 1876 durch Erbteilung in den Besitz von Georg Bruns, dessen Familie ebenfalls bis 1945 in den verschiedenen Generationen dort Eigentümer blieb. 1867 wohnten in Lutzig 289 Einwohner in vierundzwanzig Wohnhäusern, 1910 wurden 424, 1928 397 und 1939 noch 349 Einwohner gezählt.

Das eigentliche Bauerndorf lag ursprünglich in Klein Lutzig auf der westlichen Seite des am Gute gelegenen Sees. Später lagen einige Höfe im ostwärtigen Teil des Dorfes, die meisten als Ausbauten ostwärts in Richtung Buslar. Es waren gesunde Bauernhöfe in Größen zwischen zweiundzwanzig und zweiundfünfzig Hektar, ihre Eigentümer hießen Prochnow, Lüdecke, Hardt, Fritz Strehlow, Rutsatz, Hubert und Richard Piske, Hugo Erdtmann, Emil Erdtmann, Lück und Drews. Beide Güter, Lutzig und Neu Lutzig, beschäftigten hauptsächlich eigene Deputatarbeiterfamilien. Lutzig hatte einunddreißig Deputatfamilien, Neu Lutzig fünfzehn. Nur während der Kartoffelernte kamen aus den umliegenden Orten und aus Bad Polzin täglich Frauen und Kinder als Hilfskräfte hinzu. Polnische Schnitter oder Fremdarbeiter gab es nicht. Lutzig und Neu Lutzig gehörten genossenschaftlich zur Brennerei und Stärkefabrik Dewsberg und zur Molkereigenossenschaft in Bad Polzin. Lutzig hatte eine sehr alte Herde des pommerschen Herdbuchs, die zu den Besten in Hinterpommern gehörte. Die großen Schafherden wurden überwiegend um die Jahrhundertwende abgeschafft, neben den Deputat-Schafen der Arbeiterfamilien hielten die Güter selbst nur noch wenige Tiere. Jede Deputatarbeiterfamilie besaß eine Kuh, die vom Gut untergebracht, gefüttert und in den Sommermonaten geweidet wurde. Daneben wurden zahlreiche Schweine und die berühmten pommerschen Gänse gehalten, sowohl für den Eigenbedarf wie auch für den Verkauf. Zu den weiteren Deputaten gehörte freie Wohnung, freie Feuerung und freies elektrisches Licht. Ferner wurde vom Gut ein Brot-Backofen unterhalten. Daneben hatte jede Familie neben dem am Wohnhaus gelegenen Gartenland ein Stück Flachsland, wo sie Flachs für die Leinengewinnung anbauen konnte.

Die dicht bei Neu Lutzig liegende Ziegelei mit den zum Baden und Schlittschuhlaufen benutzten Ziegelei-Teichen wurde von Georg Bruns erworben, als das Rittergut Buslar Ende der zwanziger Jahre den Besitzer wechseln mußte, ebenso der gesamte Neu Lutziger See mit einigen daran gelegenen Waldstücken. Neu Lutzig lag auf einem Bergkegel; vom Gutshaus schaute man weit ins Land in Richtung Bad Polzin. Unterhalb des Berges lag an der Nebengleisstrecke Schivelbein – Bad Polzin die Bahnstation Lutzig, seinerzeit letzter Haltepunkt vor Bad Polzin. Lutzig hatte eine Größe von 599 Hektar, Neu Lutzig umfasste 319 Hektar.

Schulkinder und Lehrer 1925

Als Lehrer an der im Dorf gelegenen Schule sind die Namen Janeck, Trapp, Diederich und Lempke bekannt. Wie allgemein üblich, besaß auch die Lutziger Schule eigene Schulländereien. Da es zunächst kein Lebensmittelgeschäft im Ort gab, fuhr jede Woche ein Planwagen herum und klingelte seine Kundschaft heran. Es war jedes Mal eine Sensation für die Kinder, die den Wagen umschwärmten, um, wenn sie das Geld hatten, für fünf Pfennige eine kleine Tüte Bonbon zu kaufen. 1936 baute Herr Piske an der Dorfstraße zwischen Schule und Kirche ein kleines Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäft mit Flaschenbierverkauf auf. Vielfach wurde das gute Polziner Bier gleich an Ort und Stelle getrunken. Nebenher betrieb Herr Piske auch die Poststelle.

Lutzig hatte seit dem 15. Jahrhundert eine eigene kleine Kirche, die als Patronatskirche dem jeweiligen Gutsherrn zugeordnet war und von diesem unterhalten werden mußte. Es gehörten auch einige Kirchenländereien dazu, um die es in den Jahrhunderten allerlei Streit gegeben hat. Später wurde die eigene Pfarre in Lutzig aufgehoben und Bad Polzin zuständig. Der jeweilige Pastor mußte sonntags mit einem Pferdewagen zunächst nach Lutzig abgeholt und dann noch nach Buslar weitergefahren werden. Die kleine Kirche in Lutzig war berühmt durch ihren spätgotischen Flügelaltar mit seinen vielen Schnitzarbeiten. Altar und Kanzel sind später getrennt und mit Hilfe des Landeskonservators restauriert und neu aufgestellt worden. Vor dem Ersten Weltkrieg war ein Kirchenneubau am anderen Ende des Dorfes an der Kreuzung des Weges nach Buslar und der Landstraße Groß Rambin – Bad Polzin geplant, der Krieg verhinderte jedoch dieses Vorhaben. Die bekanntesten Pastoren waren Pastor Wandel, Pastor Farne und Pastor Mangelsdorf, der letzte war Pastor Paust aus Bad Polzin. Die Kirche hatte zwei Glocken, die berühmteste war im Jahr 1576 gegossen worden. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg abgeliefert, Gewicht 130 Kilogramm, unterer Durchmesser 62 Zentimeter, Schlagton d“ +6, Inschrift »Bei Böttger«. Die Glocke wurde auf dem Hamburger Glockenfriedhof wiederentdeckt und läutet heute in der Kirche der evangelischen Kirchengemeinde Erkelenz im Rheinland. Das kleine Kirchlein dicht neben dem Gutshaus hat noch bis in die achtziger Jahre gestanden. Die Polen haben es dann wegen Baufälligkeit abgebrochen und einen sehr bescheidenen Schlichtbau an dessen Stelle gesetzt. Der wertvolle Flügelaltar soll sich im Museum in Köslin befinden.

Der Schnitzaltar der Kirche

Für die überörtlichen Aufgaben waren Amtsvorsteher Fritz Rakow und sein Vertreter Emil Henning aus Hohenwardin sowie Standesbeamter Erdmann aus Buslar mit seinen Vertretern Franz Jahn aus Neu Lutzig und Karl Bruns aus Lutzig zuständig. Die polizeilichen Aufgaben nahm Landjägermeister Fischer aus Redel wahr.

Über die letzten Kriegstage 1945 berichtet Dr. Axel Bruns: »Bei der Eroberung durch die Russen haben in Lutzig und Neu Lutzig keine großen Kämpfe stattgefunden. Die Lutziger Familien zogen in den Torfmoorbusch und versteckten sich dort, bis die Eroberung durch die Russen abgeschlossen war. Als die Leute aus dem Torfmoorbusch zurückkamen, wurden gleich alle Männer zusammengetrieben und mit Eisenbahnwaggons nach Charkow in Russland verfrachtet. Viele starben unterwegs, die anderen in der Fremde. Zurückgekommen sind allein Gustav Klippstein und Pagelkopf. Die Bewohner des Dorfes hatten nun bis zur Vertreibung in den Westen die übliche Leidenszeit zu erdulden, glimpflich kamen fast nur die Familien auf den Ausbauten davon.«

Heute ist Lutzig ein Teil des Güterkombinats Groß Rambin. Die stabilen Arbeiterhäuser sind in verhältnismäßig guter Verfassung, die besseren Gebäude des Gutshofes stehen noch, ältere sind abgebrochen. Das um 1925 neu gebaute Gutshaus ist völlig verwahrlost und dient als Obdachlosen-Asyl. Im Gegensatz dazu ist in Neu Lutzig als Sitz der Kombinatsverwaltung für die um Bad Polzin gelegenen Güter sowohl das Gutshaus wie auch alles andere in tadelloser Verfassung.

Quellen:
Der Kreis Belgard
Berghaus, Landbuch des Herzogtums Kaschubien