Pustchow / Pustkowo

Etwa sieben Kilometer nördlich von Belgard liegt auf einer Anhöhe an der Eisenbahnstrecke nach Köslin das Bauerndorf Pustchow. Die Ortschaft bestand 1945 aus dem Straßendorf und den Splittersiedlungen Forstkolonie, Fier, dem Abbau und der Siedlung am Bahnhof Nassow. Eine befestigte, mit Kopfsteinpflaster versehene Chaussee durchquerte Pustchow. Die Ortsfläche hatte eine Ausdehnung von sieben Kilometer Länge und vier Kilometer Breite. Kartographisch war die Gemeinde im Meßtischblatt Nr. 1962 ausgewiesen. Unter den vielen Flurnamen sind nachstehende besonders charakteristisch: Heierkate (Garten), Sandbagh (Friedhof), Gillhöcht, Zungenwiesen, Düpt (Moorwiese), Brandkuhl, Schaulmaue, Leischdiek und Rottegrowe.

Bahnhof Nassow

Mit 488 Einwohnern in 128 Haushaltungen und einer Fläche von 999,2 Hektar zählte Pustchow 1939 zu den mittelgroßen Gemeinden. Das Ackerland war von unterschiedlicher Qualität. Auffallend waren die vielen Wiesen mit ihrem starken Torfabbau. Die bedeutendsten Erbhöfe besaßen Otto Villnow, Willi Groth, Hermann Rogge, Albert Manke, Reinhard Manke, Hermann Haeger und Paul Beilfuß l, Paul Beilfuß II, Erich Bortsch und Hugo Venzke. Insgesamt waren achtundzwanzig Betriebe mit bis zu sechzig Hektar Nutzfläche ansässig.

Pustchow soll in alten Zeiten aus wenigen Fischerkaten bestanden haben. Das sogenannte Düpt war ein See, auf dem Fischerei betrieben wurde. Das frühere Dorfschulzensiegel zeigte einen Schwan. Im Siebenjährigen Krieg haben die Russen in Pustchow dermaßen schrecklich gehaust, daß die Bewohner oft in die umliegenden Wälder geflüchtet sind. Im Jahre 1807 raffte die rote Ruhr viele Menschen dahin. 1811 wurde der Burgdienst für die Bauern des Belgardschen Amtes gegen eine Steuer von je hundert Taler aufgehoben. Die Separation 1821 ließ das Dorf aufblühen. Wo man einst gefischt hatte, wurde fortan gepflügt.

Durch den Verkauf der abseits gelegenen Äcker und Wiesen entstanden die Ausbauten Nassow und Fier. Vor Weihnachten 1826 brannten bei grimmiger Kälte mehrere Gehöfte ab. Vier Jahre darauf wurde der Forst von der Königlichen Regierung an dreizehn Privateigentümer veräußert, die dort eigene Höfe errichteten. Ein Dorffriedhof wurde 1835 angelegt; ein Jahr davor brannte das Schulhaus ab. Im Juni 1863 wurde auf dem Abbau Pustchow eine Nebenschule errichtet.

Die Gemeinde Pustchow gehörte zum vier Kilometer entfernten Kirchspiel Bulgrin, wo sie von Pastor Käding, dem Nachfolger des Pastors Krüger, betreut wurde. Im Schuljahr 1927/1928 besuchten neunzehn Jungen und neunundzwanzig Mädchen die Dorfschule unter der Leitung von Lehrer Max Stegemann. Die Nebenschule Pustchow-Abbau leitete Lehrer Lämmerhirt, Nachfolger von Paul Lindstedt. Zweiundzwanzig Mädchen und sechzehn Jungen von den Bulgriner und Pustchower Abbauten waren 1928 dort eingeschult. Lehrer Max Stegemann unterrichtete während des Krieges auch in Silesen. Nach Hermann Manke übernahm zuletzt Paul Beilfuß das Bürgermeisteramt. Die übrigen Ämter und Funktionen versahen Ortsbauernführer Max Haeger, Amtsvorsteher Wilhelm Lobeck aus Butzke und sein Vertreter Albert Schmidt aus Bulgrin. Ebenfalls in Bulgrin wohnten die zuständigen Standesbeamten Wendt und Hermann Sponholz. Oberlandjäger Zielinski aus Pumlow hatte die polizeilichen Aufgaben wahrzunehmen. Aus dem Bereich des Handwerks waren die Schmiede Albert Schütz, die Schlosserei Fritz Klawin und das Baugeschäft Otto Maß ortsansässig. Die Familie Borghard betrieb ein Kolonialwarengeschäft und den Dorfsaal. Für eine Belebung der dörflichen Gemeinschaft sorgte der Sportverein Germania mit der Fußballmannschaft und den Schützen- und Radfahrersektionen. Die Freiwillige Feuerwehr verfügte über eine eigene Remise. Die meisten Bauern waren im Landwirtschaftlichen Verein unter dem Vorsitz von Max Haeger organisiert.

Die Russen besetzten das Dorf Anfang März 1945. Einige Dorfbewohner versuchten, noch nach Kolberg zu flüchten; sie kamen jedoch nicht durch und kehrten zurück. Die Sowjet-Armee richtete im Dort eine Kommandantur ein. Ganze Viehherden mussten von deutschen Begleitern in Richtung Osten fortgetrieben werden. Viele Maschinen und Geräte wurden per Bahn in die UdSSR vertrachtet. Die vertriebenen Ostpolen übernahmen immer mehr Bauernhöfe und Wohnungen. Bedrängt und verfolgt, flüchteten die Deutschen zunächst sporadisch, bevor 1946 die endgültige Vertreibung vollzogen wurde.

Dr. Günter Rogge, Angehöriger einer seit jeher ortsansässigen Familie, schreibt:

»Ein Besuch in Pustchow im Jahre 1985 lässt das Dort wenig verändert erscheinen. Der Friedhof ist allerdings seit 1945 verwüstet. Auf den zerbrochenen Grabsteinen ist kein Name lesbar geblieben. Die Kirche wirkt äußerlich unverändert; im Inneren sind jedoch nur ein Kruzifix und ein Kronleuchter aus deutscher Zeit geblieben.«

Quellen:
Der Kreis Belgard
Berghaus, Landbuch des Herzogtums Kaschubien