Kösternitz / Kosciernica Bialogardzka

Die Kösternitzer waren früher für ihre hellblonde Haarfarbe bekannt. Noch Anfang der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts mussten sich die Kinder und Jugendlichen beim Zusammentreffen mit Altersgenossen aus dem Nachbardorf Pustchow folgende Redensart anhören: »Dei Kösternitzer hewwe ’ne Bottermelkskopp«. Anstatt dieses mit Stolz zur Kenntnis zu nehmen, reagierten die Kösternitzer ziemlich humorlos mit der plattdeutsch gesprochenen Behauptung, die Pustchower hätten einen »blechernen Hintern«.

Das rein bäuerliche, fast runde Angerdorf Kösternitz liegt fünf Kilometer nördlich von Belgard in ebenem Gelände an der nach Köslin führenden Eisenbahnstrecke. Am Stadtweg nach Belgard ragt der Kösternitzer Berg mit 63 Meter Höhe empor. Hinter der alten Bahnstation befand sich einst ein kleiner Kieshügel, den man nach dem früheren Gemeindehirten Pagel »Pagelsberg« nannte. Im 19. Jahrhundert stand Pagels Haus auf diesem Hügel; er selbst hatte Wolfsfallen gestellt, von denen einige noch bis 1945 im Dorf aufbewahrt wurden. Bis zum Ersten Weltkrieg sind die Kösternitzer Frauen an den Zelmuckbach oder in die Wiesen an der Radue gefahren, um dort ihre Wäsche zu waschen. Später wurde Kösternitz ans Stromnetz angeschlossen. Die Gemarkung bestand aus lehmigem Sand, anmoorigem Boden und Moor. Neben den Ackerflächen bestimmten große Wiesen und Weiden das Landschaftsbild. Hauptanbaufrüchte waren Getreide, Kartoffeln, Wruken und Runkelrüben. Einige Bauern besserten ihr Einkommen durch Bienenhaltung und Gemüseanbau auf. In den Moorwiesen wurde Torf gestochen. Mit Kiefern und Fichten wurden neue Waldflächen aufgeforstet. 1939 lebten 321 Einwohner in 72 Haushaltungen in der 838,8 Hektar großen Gemeinde. Die größten Höfe mit über dreißig Hektar Eigenland besaßen Karl Behling, Otto Behling, Gustav Götzke, Fritz Krüger, Gerhard Krause, August Maaß l., Albert Münchow, Hugo Schwarz, Otto Tezlaff und August Zwencke. Weitere 29 Betriebe hatten Flächen zwischen fünf bis dreißig Hektar Nutzfläche.

Der Name Kösternitz dürfte von den slawischen Wörtern kust, chrust = Holzhaufen oder Strauch abgeleitet worden sein. Ende des Dreißigjährigen Krieges wohnten neunzehn Männer, neunzehn Frauen, zwölf Instleute, sechs Knaben, fünf Mädchen und 28 Kleinkinder im Ort; bekannt sind die Familiennamen Sydow, Below, Kröger, Dummer, Bensche, Thom, Maaß, Glambeck, Manke, Weyer, Kruß, Villnow, Pawel, Gulke und Beyelhof. 1688 entbrannte zwischen den Kösternitzern und Lülfitzern ein heftiger Grenzstreit um das Weide- und Torfgebiet »Die Schetterow«. Erst nach jahrelangem Tauziehen und persönlichem Eingreifen des Staatsanwaltes (»Advocatus Fisci«) konnte die Fehde 1726 durch eine Abordnung der Pommerschen Regierung an Ort und Stelle geschlichtet werden.

1834 wurde Kösternitz durch Feuer völlig zerstört. Die wieder aufgebauten Häuser gaben dem Ort ein neues, freundliches Gesicht. Das Dorf hatte keine eigene Kirche, es war zum Kirchspiel Belgard eingepfarrt. Die überwiegend evangelischen Christen wurden von Superintendent Johannes Zitzke und Pastor Gerhard Schlecht seelsorgerisch betreut. Mitten im Dorf stand die Schule, nach einem neuerlichen Brand um 1880 wieder aufgebaut. Im eigens dafür errichteten Schulturm war eine Glocke aufgehängt, die bei Gemeindebekanntmachungen, aber auch als Toten- oder Schulglocke benutzt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges hat man sie für Rüstungszwecke abgeben müssen. Sie befindet sich heute im Glockenmuseum auf Burg Greifenstein in Hessen. 1928 wurde etwas außerhalb des Ortsausganges nach Pustchow eine neue einklassige Schule gebaut. Um diese Zeit unterrichtete dort Franz Beilfuß, letzter deutscher Lehrer in Kösternitz, 25 Jungen und dreizehn Mädchen.

Eine Gastwirtschaft, den Krug mit Lebensmittelladen, betrieb Gustav Räch. Franz Terwedow war Dorfschmied. Die Geschicke der Gemeinde wurden von Bürgermeister Erich Ott, Amtsvorsteher Albert Münchow, seinem Vertreter Franz Scheunemann aus Buchhorst, den Standesbeamten Paul Zülow und Fritz Behling aus Vorwerk sowie dem Landgendarmeriebeamten Zielinski aus Pumlow geleitet. Zum Ortsbauernführer hatte man Hugo Schwarz ernannt. Im Oktober 1944 wurde auch in Kösternitz der Volkssturm aufgestellt. Anführer wurden Lehrer Beilfuß und der Fleischbeschauer August Kunde. Ende des Jahres bekam das Dorf seine erste größere Einquartierung; Anfang 1945 lag in Kösternitz eine Eskadron der Stolper Husaren. Der am 4. März in Richtung Kolberg in Marsch gesetzte Flüchtlingstreck kehrte nach Zusammenstößen mit russischen Truppen schon bald nach Kösternitz zurück. Die Russen zogen am 6. März ins Dorf ein. Schon in der ersten Nacht wurden zwei Flüchtlinge, ein Mann und eine Frau, erschossen. Hugo Schwarz wurde bei der Weigerung, seine Tochter den Soldaten herauszugeben, durch einen Schuss in den Mund schwer verletzt. Otto Tezlaff wurde auf seinem Hof erschlagen und später, unter dem Mist verscharrt, aufgefunden. Emma Müller, knapp dreißig Jahre alt, wurde in ihrem Haus von russischen Soldaten vergewaltigt und dann erschossen. Amtsvorsteher Treichel, Lehrer Beilfuß, Ortsbauernführer Hugo Schwarz und ein ostpreußischer Beamter wurden am Karfreitag 1945 von russischen Soldaten erschossen. Arbeitsfähige Männer wurden verschleppt, Franz Terwedow und Rudolf Bahr blieben verschollen. Schon im September 1945 zogen die ersten Polen ins Dorf ein. Für die Deutschen bestand fortan weder eine geregelte Lebensmittelversorgung noch ein bestimmtes Wohnrecht. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung vollzog sich stufenweise von August 1945 bis Sommer 194 7.

Bis auf wenige Ausnahmen haben sich die polnischen Bauern bis 1986 zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen, die Schafhaltung betreibt und Silofutter herstellt. Die Verwaltung befindet sich auf dem Hof von August Maaß. Für die Angestellten sind drei neue Wohnhäuser erbaut worden. Die frühere Schule ist jetzt Kindergarten; entstanden ist eine neue Mittelschule für mehrere Dörfer. Das einstige Bahnhofsgebäude gibt es nicht mehr, der Bahnsteig ist näher ans Dorf verlegt worden. Der Friedhof ist verwildert, die polnischen Katholiken werden in Belgard bestattet. Der Krug dient als Dorfgemeinschaftshaus, der Pagelsberg ist durch Sandabbau kleiner geworden; ansonsten hat sich das Dorfbild wenig verändert.

Quelle:
Der Kreis Belgard, S. 407

Kösternitz auf der von Schmettau`schen Karte von 1780

Nachnamenverzeichnis Standesamt Roggow 1874 – 1884